Full text: Lehrplan für die einfachen Volksschulen des Königreichs Sachsen vom 5. November 1878.

§ 3. Deutsche Sprache mit Lesen und Schreiben. 55 
Nicht minder wichtig ist die Gewöhnung der Schüler an zusammen- 
hängendes Erzählen und Beschreiben, an bündige Lösung 
von Aufgaben und übersichtliche Wiederholung entwickelter 
Gedanken (Anmerkung 32). Es liegt ja in der Natur des Volksschul- 
unterrichts, zu zergliedern, auseinanderzulegen, zu vereinzeln: aber 
vergesse man nicht, auch wieder zu vereinigen, zu verknüpfen, zu ver- 
binden. Im Gange einer Unterrichtsstunde ist daher je nach Einteilung 
des Lehrstoffes von Zeit zu Zeit behufs wiederholender Zusammen- 
fassung des Hauptsächlichsten inne zu halten, damit zu Ende der 
Lektion die Ergebnisse ihrer einzelnen Stufen zu einem abgerundeten 
Ganzen vereinigt werden können. Und bei der Wiederholung zu Be- 
ginn der nächsten Lehrstunde sind von den Schülern immer auch mög- 
lichst zusammenhängende Darstellungen zu fordern. Derartige Zusammen- 
fassungen werden nicht allein die Sprechfertigkeit der Schuljugend er- 
höhen, sie werden auch ihre Freude am Unterrichte und dessen Erfolge 
nicht unwesentlich steigern. Lassen wir uns hierin nicht vom Auslande 
übertreffen! . 
Vergl. hierzu folgende Bemerkung aus neuerer Zeit: „Zur Siche- 
rung guter Unterrichtserfolge sind gewiß die planvollen Ubungen im 
mündlichen und schriftlichen Zusammenfassen des behandelten Lehrstoffes 
von ganz hervorragender Bedeutung. Es ist zwar anzuerkennen, daß 
nach dieser Seite hin erfreuliche Fortschritte erzielt worden sind; doch 
bleibt noch manches zu wünschen übrig, ganz abgesehen davon, daß 
einzelne Lehrer dieser Angelegenheit noch immer nicht den Fleiß zu- 
wenden, den sie verdient. Denn bald werden jene Zusammenfassungen 
nicht an der richtigen Stelle — nämlich nach Erledigung methodischer 
Einheiten — gemacht; bald werden diese Einheiten nicht dem Bildungs- 
stande der Schüler auf den verschiedenen Stufen angepaßt, nicht auf 
den höheren Stufen umfänglicher angelegt als auf den niederen; bald 
werden die auf das Zusammenfassen berechneten Fragen nicht anders 
eingerichtet als für das Zergliedern, weswegen sie für das, was ge- 
leistet werden soll, zu klein sind. Bald wird durch Fragen wie: „Wer 
kann das? Wer will das?“ die Leistung des Zusammenfassens dem 
guten Willen der Kinder anheimgegeben, nicht aber als eine solche be- 
zeichnet, die so gut wie jede andere notwendig und allgemein erreichbar 
ist. Bald endlich hält die ängstliche Furcht vor möglichen ortho- 
graphischen und grammatikalischen Fehlern den Lehrer ab, die Kinder 
das Erforderliche rasch, selbständig, frei von allerhand Stützen und 
Krücken niederschreiben zu lassen (vergl. Anmerkung 92). Es wird sonach 
den Bestimmungen des Lehrplanes vom 5. November 1878 noch stärkerer 
Nachdruck gegeben werden müssen.“ 
Schreyer (Entwurf 2c.) warnt mit Recht davor, die Kinder in 
ihrer Ausdrucksweise pedantisch zu beschränken und ihren Vortrag bei 
jedem Versehen sofort zu unterbrechen. Die Verbesserung habe erst nach 
Ablauf des Vortrags unter Anleitung zu einer wiederholten Darstellung 
mit schonender Hand zu erfolgen. 
37) Vergl. § 12 Abs. 4 des Volksschulgesetzes: „Es ist darauf zu 
halten, daß die Kinder wendischer Nation Sicherheit und Gewandt-
	        
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