Full text: Lehrplan für die einfachen Volksschulen des Königreichs Sachsen vom 5. November 1878.

§ 5. Formenlehre. 95 
digen Konstruieren zu legen.“ „Der Unterricht geht von dem An- 
schauen, Auffassen und Benennen der Formen und Figuren aus, 
läßt sie dann an Gegenständen aus der Umgebung und dem An- 
schauungskreise der Kinder aufsuchen, schreitet hiernach zum Darstellen 
des Aufgefaßten weiter und schließt mit dem Messen und Berechnen.“ 
„Die beste praktische Anwendung der gewonnenen Kenntnisse 
ist das Messen und Berechnen von Linien, Flächen und Körpern in 
Stube, Haus, Hof und Feld.“ „Die Anwendung des Erkannten und 
Gelernten muß eine vielfache sein und insbesondere das berufliche Leben 
in seinen verschiedenen Anforderungen berücksichtigen. Abschätzen, Messen, 
Lösung von Konstruktionsaufgaben, Berechnungen: das gibt dem geo- 
metrischen Unterrichte den rechten praktischen Wert (Grüllich, Lehrplan 2c.). 
„Beim Unterrichte ist die heuristische Lehrform tunlichst in An- 
wendung zu bringen und die Selbsttätigkeit der Schüler fortwährend 
in Anspruch zu nehmen.“ 
Vergl. hierzu u. a.: Eckardt, Lehr= und Stundenpläne 2c.; 
Baunack, Lehrplan 2c.; Schreyer, Entwurf 2c.; Lehrpläne für die 
Inspektionsbezirke Dippoldiswalde und Glauchau; Pickel, Geo- 
metrie in der Volksschule; Zeißig, Präparationen zur Formenkunde. 
1160) Also Drei-, Vier= und Vielecke. 
117) Die Bestimmung über den zu verarbeitenden Lehrstoff ist 
dehnbar. Das Nähere wird in den Lehrplänen der einzelnen Schulen 
unter Berücksichtigung der maßgebenden Verhältnisse (vergl. § 5 Abf. 2 
des Lehrplanes, auch Anmerkung 112 und 113) festzustellen sein. 
Für alle Fälle wollen die G. B. dem bekannten „non multa, sed 
multum Rechnung getragen und bei der Wahl des Lehrstoffes beachtet 
wissen, daß der Hauptwert der Formenlehre für die einfache Volksschule 
nicht in dem theoretischen, sondern in dem praktischen Teile derselben, 
d. h. in ihren Konstruktions= und Berechnungsaufgaben liegt. 
Wird die Auswahl des Lehrstoffes nach diesen Gesichtspunkten ge- 
troffen, dann ist nicht zu bezweifeln, daß sich der Unterricht, geschickt be- 
trieben, auch für das spätere Leben nützlich erweisen werde, selbst für das 
der Mädchen, deren Teilnahme an demselben zuweilen als überflüssig 
bezeichnet worden ist. So z. B. hat Brunner (Lehrplan 2c.) seiner- 
zeit die Bestimmung getroffen, daß „in Klassen mit gemischten Ge- 
schlechtern die Mädchen während des Unterrichts in der Formenlehre 
mit schriftlichem Rechnen beschäftigt werden sollen“. 
Ohne die Frage, ob und beziehentlich inwieweit etwa die Befreiung 
der Mädchen von der Teilnahme an gedachtem Unterrichte mit den ge- 
setzlichen Bestimmungen vereinbar sein würde, weiter zu erörtern, soll 
hier nur auf die Ausführungen Grüllichs (Zweiter Beitrag 2c.) über 
die Bedeutung desselben für das weibliche Geschlecht hingewiesen 
werden. Er gelangt zu dem Schlusse: „Man kann die Behauptung 
nicht festhalten, daß das Beobachten der Raumobjekte ihrer Form nach, 
ihre Messung und Schätzung, ihre Inhaltsberechnung, das Zeichnen 
geometrischer Figuren 2c. der weiblichen Natur zuwider sei, und ich habe 
in der Tat auch Schulen gefunden, in denen die Mädchen in der Geometrie 
ebenso schlagfertig, wenn nicht besser antworteten als die Knaben.“
	        
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