III. Die rechtliche Natur der Wahlprüfung.
Die rechtliche Natur der eigentlichen Waylprüfung ist
nur in ihren Folgerungen stark bestritten. Daß die Entschei—
dung über die Prüfung den Charakter eines Urteils hat, wird
fast durchweg angenommen!). Jellinek vor allem führt über
die Prüfung als richterliche Tätigkeit aus, daß die Mitglied-
schaft an einer parlamentarischer Körperschaft ein subiektives
öffentliches Recht seie). „Damit charakterisiere sich notwendig
die Entscheidung darüber, ob einer individuell bestimmten
Person kraft der die rechtlichen Entstehungsgründe der Mit-
gliedschaft normierenden Rechtssätze diese zusteht oder nicht,
als ein Akt der Rechtsprechung.“ — Welche Verfahrensvor-
schriften bei dieser richterlichen Tätigkeit aber anzuwenden sind,
darüber gehen die Ansichten weit auseinander. (Soweit diese
Tätigkeit durch den Reichstag ausgeübt wurde, war diese Frage
ziemlich belan glos. Sie wird erst dann wichtig, sobald sich die
Gerichte mit den Prüfungen zu befassen haben).
Die eine Meinung, an der Spitze von Seydel), bestreitet
vor allem, daß der Wablprüfung die Natur eines Streitver-
fahrens innewohne. Der Abgeordnete, dessen Wahl geprüft
werde, sei nicht Partei und ihm stehe auch keine Partei gegen-
über. Demgegenüber glaubt vor allem Hatschek durch die Be-
hauptung, es seien bei der Wahlprüfung Perteien vorhanden
(durch den Hinweis auf den „modernen Parteibegriff“), be-
weisen zu können, daß die Wahlprüfung ein Streitverfahren
sei). Die Parteifähigkeit bedinge nicht, daß man sein eigenes
Recht verteidigt, sondern es gäbe auch Parteien, denen die
Parteistellung vom Staat entweder kraft ihres Amtes oder
1) So z. B. Laband, S. 337; Jacques, S. pff.; v. Sendel, Abh.
S. 191ff.; Leser S. 45; Jellinek (Soystem) S. 168ff.
2) Gutachten für den 19. deutschen Juristentag S. 122.
3) v. Seydel, Komm. S. 207, Abb. S. 394.
4) Hatschek S. 497.