Stellv. Generalkommando
XX. Armeekorps. Allenstein, den 13. Oktober 1915.
Abt. IIla Nr. 3562 T. L.
Jugendliche.
Verordnung.
In der Sorge für die Zukunft unserer deutschen Jugend verordne ich aus Gründen
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß Art. 68 der Reichsverfassung in Verbindung
mit § 4 und 1) § 9bP des Preußischen Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851
wie folgt:
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§ 1.
Jugendliche im Sinne der nachstehenden Bestimmungen sind Personen beiderlei
Geschlechts, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie nicht dem Heere oder
der Flotte angehören.
82.
Jugendliche dürfen in den Abendstunden keine Wirtshäuser besuchen.
Gastwirte oder deren Vertreter dürfen abendlichen Wirtshausbesuch von Jugendlichen
nicht dulden.
Unter „Abendstunden“ wird bis auf weiteres die Zeit von 5 Uhr
an verstanden.
Besuch von Wirtshäusern in Begleitung der Eltern, Erzieher oder
deren Vertreter sowie eine notwendige Einkehr auf Reisen und Wan—
derungen fällt nicht unter das Verbot.
§ 3
8 .
Jugendliche dürfen nur mit Genehmigung ihrer Eltern, Erzieher oder deren Vertreter
— und außerhalb der Wohnung nur in deren Beisein — Alkohol enthaltende Getränke zu sich
nehmen oder rauchen.
Die Verabfolgung von Alkohol enthaltenden Getränken und Tabak an Jugendliche
zu verbotenem Genuß ist untersagt.
s4.
Jugendliche dürfen keine Lichtspiel-Schaubühnen besuchen. Die Inhaber von Lichtspiel-
häusern und deren Vertreter dürfen den Besuch Jugendlicher nicht dulden.
Vom Verbot ausgenommen bleiben besondere Jugend-Vorstellungen,
die als solche von Polizei= und Schulbehörden vorher geprüft und ge-
nehmigt wurden.
8 5.
Zuwiderhandlungen werden gemäß 8 9b des Gesetzes vom 4. Juni 1851 mit
Gefängnis bis zu einem Jahre oder beim Vorliegen mildernder Umstände nach
§ 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 1915 mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu
1500 Mark bestraft 2).
Gleiche Strafe trifft den, der in schuldhafter Weise verabsäumt, die seiner Beaufsichtigung
unterstehenden Jugendlichen zur Befolgung der Befehle hinreichend anzuhalten.
Eine Strafverfolgung gegen Jugendliche, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, findet nicht statt. In diesem Falle werden aber die zur Aussicht Verpflichteten zur
strafrechtlichen Verantwortung gezogen.
Der Kommandierende General
Graf v. Schlieffen
1) Durch Verordnung vom 1. Juni 1917 — Abt. IIIb. Nr. 2844 T. L. — sind die Worte „§ 4 und“
in Wegfall gebracht.
2) Durch Verordnung vom 1. Juni 1917 — Abt. IIIb Nr. 2844 I. L. — sind die gesperrt gedruckten
Worte an die Stelle einer Strafandrohung von „Geldstrafe bis zu 100 Mark, im Nichtbeitreibungsfalle Hasestrafte
bis zu 6 Wochen, oder Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre"“ gesetzt.
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