2 Erster Abschnitt: Die Entstehungsgeschichte des Deutschen Reiches. s$1
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mit der Wirkung, dass die bisher erforderliche Stimmeneinheit der Bundes-
glieder durch Beschlussfassung der Nationalvertretung auf speziell-bezeich-
neten Gebieten der künftigen Bundesgesetzgebung ersetzt werden solle; ferner
die Feststellung der Kompetenz; endlich Organisation des Konsulatwesens,
Gründung einer deutschen Kriegsmarine und Revision der Bundeskriegsver-
fassung. Zu einer ernstgemeinten Verhandlung über diese Vorschläge kam
es am Bundestage nicht mehr; der am 14. Juni 1866 von der Bundesversamm-
lung auf Antrag Oesterreichs gefasste Beschluss, die Mobilmachung sämt-
licher nicht österreichischen und nicht preussischen Bundes-Armeekorps an-
zuordnen, wurde von Preussen mit der Erklärung beantwortet, „dass es den
bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr für verbind-
lich ansehe, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln
werde‘. Seinem Beispiele folgten’ diejenigen nord- und mitteldeutschen
Staaten, welche während des Krieges von 1866 auf Seiten Preussens standen.
Im Art. II des Präliminarfriedensvertrages von Nikolsburg v. 26. Juli 1866
erkannte Oesterreich die Auflösung des bisherigen deutschen Bundes an und
gab seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betei-
ligung des österreichischen Kaiserstaates. In d n Berliner Friedensverträgen
von 1866 traten Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Reuss ä. L.
vnd Sachsen-Meiningen diesen Bestimmungen des Nikolsburger Friedens bei;
Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt hatten durch den Krieg ihre
Existenz als Staaten verloren und waren ebenso wie die, durch den Wiener
Frieden vom 30. Oktober 1864 von Dänemark losgetrennten Elbherzogtümer
mit dem Preussischen Staate vereinigt worden. Luxemburg und Limburg,
deren Entlassung aus dem deutschen Bunde der König der Niederlande
bereits am 19. Mai 1866 beantragt hatte, hielten sich von der Teilnahme an
den Bundestags-Verhandlungen seit der Austrittserklärung Preussens fern und
erkannten die Auflö ung des deutschen Bundes und die neue politische Ge-
staltung Deutschlands im Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867 ausdrücklich
an. Demnach hatten sämtliche Mitglieder de: ehemaligen deutschen Bundes,
soweit sie ihre staatliche Existenz bewahrt hatten, in bindender völker-
rechtlicher Form ihr Einverständnis mit der Auflösung des deutschen Bundes
erklärt !), Auch die europäischen Grossmächte, welche auf dem Wiener
Kongress von 1815 an der Errichtung des deutschen Bundes eine Mitwirkung
geübt hatten, erkannten durch den Londoner Vertrag v. 11. Mai 1867 Art. 6
durch die darin enthaltene Bezugnahme auf die Auflösung des deutschen
Bundes die letztere ausdrücklich an.
Der deutsche Bund war ein völkerrechtliches Verhältnis; mit
seiner Auflösung war dasselbe nach allen Seiten hin beendet; es gibt weder
eine Sukzession in Bundesrechte, noch eine Fortwirkung von Bundes-Be-
schlüssen, soweit nicht erworbene Rechte durch dieselben zu Zeiten des
Triepel, Zur Vorgeschichte der Nordd. Bundesverf. (Festschrift f. Gierke I S. 589).
1910.
1) Nur von Liechtenstein ist dieses Einverständnis nicht ausdrück-
lich erklärt, jedoch tatsächlich dargetan worden.