Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

92 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Reiches. 813 
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zweige, welche der Selbstverwaltung der Einzelstaaten überlassen und nur 
der Beaufsichtigung des Kaisers unterstellt sind !). Zu Ressortsstellvertretern 
können nur die Vorstände der dem Reichskanzler untergeordneten obersten 
Reichsbehörden ernannt werden, und zwar entweder für den ganzen Um- 
fang oder für einzelne Teile ihres Geschäftskreises ?). 
4. Eine Folge der Erhebung der Vorstände der obersten Reichsbehörden 
zu verantwortlichen Unterministern war die Lockerung des Verhältnisses 
zwischen dem Reichskanzler und diesen Behörden; er erscheint nicht mehr 
als ihrunmittelbarer Chef, sondern als eine über ihnen allen stehende 
Zentralbehörde. Aus diesem Grunde bedarf er eines eigenen Apparates von 
Hilfs- und Unterbeamten, eines besonderen ‚Zentralbureaus‘, welches seit 
1879 den Namen Reichskanzlei führt und den amtlichen Verkehr des 
Reichskanzlers mit den Chefs der Reichsämter zu vermitteln hat. 
IV. Die Reichs-Verwaltungsbehörden. Für die dem Bundeskanzler ob- 
liegenden Geschäfte ist durch den Präsidial-Erlass vom 12. August 1867 
(BGBl. S. 29) eine Behörde unter dem Namen ‚‚Bundeskanzler-Amt“ errichtet 
worden, welche anfangs 3 Abteilungen umfasste (die sogen. Zentralabteilung, 
Post, Telegraphie). Ausserdem wurden die preussischen Ministerien der aus- 
wärtigen Angelegenheiten und der Marineangelegenheiten auf den Bundes- 
etat genommen und zu Bundesbehörden erklärt. Durch die Fortschritte der 
Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches hat sich diese einfache Behörden- 
verfassung immer mehr entwickelt, und es ist namentlich aus dem ehemaligen 
Reichskanzler-Amt eine ganze Reihe selbständiger Zentralverwaltungsbehör- 
den des Reiches hervorgegangen. Für dieselben ist das Kollegialsystem 
durchweg ausgeschlossen. Zur Zeit (1912) bestehen folgende: 
1.Das Reichsamt des Innern). Es ist die eigentliche Fort- 
setzung der ehemaligen Zentralabteilung des Bundeskanzler- Amtes; zu seinem 
Geschäftskreise gehören alle Angelegenheiten, für welche nicht spezielle Be- 
hörden errichtet worden sind; insbesondere die volkswirtschaftlichen, sozial- 
politischen und gewerbepolizeilichen. Von ihm ressortieren: das statistische 
Amt und die Kommission für Arbeiterstatistik, die Normaleichungskommission, 
des Schiffsvermessungsamt, die physikalisch-technische Reichsanstalt, das 
Gesundheitsamt, die biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, das 
Kanalamt zu Kiel; die Reichskommissare für das Auswanderungswesen, die 
Inspektoren für die Prüfung der Seeschiffer, die technische Kommission für 
Sceschiffahrt, die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica, die 
Reichsschulkommission, der Börsenausschuss und die ständige Ausstellung 
für Arbeiterwohlfahrt in Charlottenburg. Endlich ressortieren vom Reichs- 
1) Gute und eingehende Erörterungen darüber gibt J o & 1 a. a. O0. S. 766 ff. Vgl. 
auch Smend 8. 331 fg. 
2) Da die ‚Behinderung‘ des Reichskanzlers auch in der Ueberlastung desselben 
mit Geschäften bestehen kann, so können Ressort-Stellvertreter auch für die Zeit er- 
nannt werden, in welcher der Reichskanzler sich in voller Amtstätigkeit befindet. Dies 
ist auch in der Tat geschehen. Durch das Ges. v. 17. März 1878 sind daher verant- 
wortliche Unterminister dem Behördensystem des Reiches dauernd und 
als organische Einrichtung eingefügt worden. Smend S. 334 fg. 
3) Die Bezeichnung beruht auf dem Erl. v. 24. Dezember 1879 RGBl. S. 321.
	        
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