Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

102 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Reiches. s ıt 
  
net!). Auf Personen des Soldatenstandes findet das Reichsbeamtengesetz 
keine Anwendung ?), wohl aber das Besoldungsgesetz. 
II. Die Anstellung eines Beamten ist wohl zu unterscheiden von 
der Uebertragung eines bestimmten Amtes an einen Beamten; sie begründet 
lediglich die Verpflichtung zur Uebernahme eines entspre- 
chenden Amtes und andererseits die Berechtigung des Landesherrn, den in 
den Staatsdienst Aufgenommenen zur Wahrnehmung eines gewissen Amtes 
zu verwenden; so wie auch die Entziehung eines konkreten Amtes durchaus 
zu unterscheiden ist von der Beendigung des Dienstverhältnisses ?). Die ver- 
tragsmässige Dienstpflicht verhält sich zur wirklichen Amtsführung wie die 
gesetzliche Wehrpflicht zum aktiven Militärdienst oder wie die gesetzliche 
Gerichtspflicht zur effektiven Ausübung des Geschworenen- und Schöffen- 
amtes. Das Dienstverhältnis des Staatsbeamten beruht auf einem Vertrage, 
durch welchen der Beamte eine besondere Dienstpflicht und Treupflicht über- 
nimmt, eine besondere Ergebenheit und einen besonderen Gehorsam angelobt, 
und durch welchen der Staat dieses Versprechen sowie das ihm angebotene 
besondere Gewaltverhältnis annimmt und dem Beamten dafür Schutz und 
gewöhnlich auch Lebensunterhalt zusichert *). 
Befugt, im Namen des Reiches Beamte anzustellen, ist der Kaiser. RV. 
Art. 18. Dies schliesst aber nicht aus, dass nicht der Bundesrat ein Vor- 
schlagsrecht haben oder wegen der Anstellung gewisser Beamten vorher ge- 
hört werden muss. Der Kaiser ist wie bei allen Regierungsgeschäften hier- 
bei an die Beobachtung der Reichsgesetze gebunden; er kann daher den An- 
stellungsvertrag nicht unter willkürlichen Bedingungen abschliessen. Die 
Form, in welcher der Anstellungs-Vertrag geschlossen wird, ist nach $ 4 des 
1) Vgl. das Urteil des Reichsgerichts vom 26. Oktober 1880. Entscheidungen in 
Civilsachen Bd. II S. 10l1fg. Pieper 8.3 ff. 
2) Ausgenomuinen die in den $$ 134—148 enthaltenen Bestimmungen über Defekte. 
3) Auf der Vermengung dieser beiden Gesichtspunkte beruhen die zahlreichen Un- 
klarheiten und inneren Widersprüche, an denen die meisten Darstellungen des Beamten- 
rechts leiden. So behauptet z. B. Zorn, Staatsr. I $ 14, dass die Begründung des 
Beamtenverhältnisses nicht durch Rechtsgeschäft erfolgen könne, sondern auf ‚‚lex 
specialis‘‘ beruhen müsse, „da eine Uebertragung von Staatshoheitsrechten auch nur 
zur Ausübung Naınens des Staates durchRechtsgeschäfte prinzipiell unmöglich ist“. 
Ganz abgesehen von dieser angeblichen ‚prinzipiellen Unmöglichkeit‘ ist festzuhalten, 
dass die Aufnahme jemandes in den Staatsdienst keine Uebertragung von Hoheitsrechten 
involviert und andererseits die Uebertragung von Hoheitsrechten nicht notwendig das 
Dienstverhältnis voraussetzt. Auch äußerlich unterscheiden sich beide Akte häufig 
sehr deutlich; z. B. der König ernennt einen Architekten zum Baurat oder einen Arzt 
zum Medizinalrat (Anstellung im Staatsdienst), der Minister überträgt dem so An- 
gestellten dann die Baurats- oder Medizinalrats-Stelle bei der Regierung in X. (Ver- 
wendung im Staatsdienst).. Beide Akte können aber auch zusammenfallen. 
4) Ueber die verschiedenen theoretischen Auffassungen des Beamtenverhältnisses 
vgl. mein Staatsr. d. D. R. IS. 431 ff. Dass das Beamtenverhältnis eindurch Ver- 
trag begründetes Dienstverhältnis ist, hat auch das Reichsgericht wiederholt 
anerkannt. Vgl. Entscheidungen in Civils. Bd. 51 S. 305; Bd. 53 8. 427. Vgl. auch 
Bindinga.e. O0. S. 386 und meine $. 101 Note 2 zitierten Ausführungen. Ferner 
Triepel, Staatsdienst und staatl. gebundener Beruf 1911 S. 16 ff. Merkwürdig ist 
das Urteil des R.G.v. 26. Juni 1906. Jurist. Wochenschr. 35 8. 551 Ziff. 20. Darnach 
wird das Beamtenverhältnis durch einen ‚einseitigen‘ Akt der Staatsgewalt begründet, 
welcher ‚vertragliche‘ Elemente enthält, die in einem ‚öffentlich rechtlichen Vertrag“ 
ihren Ursprung finden. Dieser öffentlich rechtl. Vertrag bringe „privatrechtliche Wir- 
kungen“ hervor und sei ‚„quasi-kontraktlicher‘‘ Natur. Diese Begriffskonfusion kann 
nicht übertroffen werden.
	        
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