8 15 IV. Die Wirkungen der Gesetze. 133
betreffs der Vornahme von Amtshandlungen erteilen, also Verwaltungs-
vorschriften enthalten. Alsdann sind seine materiellen Wirkungen keine an-
deren als die eines Dienstbefehles. Oder das Gesetz kann eine Behörde zur
Leistung gewisser Ausgaben, zum Abschluss gewisser Rechtsgeschäfte er-
mächtigen; dann sind seine materiellen Wirkungen identisch mit denen einer
Vollmacht. Oder es kann einen Wirtschaftsplan aufstellen (Etatsgesetze) oder
einen Rechtsstreit erledigen (Art. 76 Abs. 2)!). Sehr viele Gesetze enthalten
zum Teil Rechtsvorschriften, zum Teil Verwaltungsregeln usw. Wenn ein
Gesetz weder eine Rechtsnorm noch ein Rechtsgeschäft zum Inhalt hat, son-
dern politische, juristische, soziale oder ethischaAnsichtenzum Ausdruck
bringt oder ankündigt, dass eine ganze Materie besonders geregelt werden
wird, oder Tatsachen konstatiert usw., so hat es gar keine materielle Wir-
kung; seine formelle Gesetzeskraft bleibt davon aber völlig unberührt.
3. Der Gesetzgeber kann mit dem Befehl, die im Gesetz enthaltenen Nor-
men zu beobachten, zugleich eine Anordnung verbinden, von welchem
Zeitpunkte.an dieser Befehl gelten soll. Es kann auch die Bestimmung
des Anfangstermins vorbehalten bleiben, sei es einem besonderen Gesetz, sei
es einer Verordnung des Kaisers oder Bundesrats. Ist aber in dem Reichs-
gesetz der Anfangstermin seiner Geltung weder bestimmt noch die Bestim-
mung desselben vorbehalten, so beginnt die verbindliche Kraft des Gesetzes
mit dem 14. Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betref-
fende Stück des Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist. RV.
Art. 2a. E. Deshalb muss jedes Reichsgesetz, dessen Geltungstermin sich
nach Art. 2 der RV. bestimmt, mag es noch so umfangreich sein, in Einem
Stück des Reichsgesetzblattes vollständig abgedruckt werden, und es muss
auf jedem Stück des Reichsgesetzblattes der Tag angegeben sein, an welchem
die Ausgabe desselben in Berlin erfolgt. ist *?); die Verantwortlichkeit des
Reichskanzlers für den Inhalt des Reichsgesetzblattes erstreckt sich auch auf
diesen Vermerk.
Das Motiv, aus welchem der Anfang der rechtsverbindlichen Kraft eines
Reichsgesetzes um einen Zeitraum von 14 Tagen nach der Verkündigung
hinausgeschoben wird, ist zweifellos darin zu suchen, dass die allgemeine
Kundbarkeit des Reichsgesetzes, und zwar sowohl seines Wortlautes als der
Tatsache seiner Verkündigung, ermöglicht werden soll, bevor das Gesetz in
Kraft tritt. Aber man darf dieses Motiv eines Rechtssatzes nicht selbst zum
l) v. Martitza. a O. lifg. wendet sich mit besonderer Lebhuftigkeit gegen
diese Sätze; seine Opposition beruht aber durchweg auf einer Vermengung der for-
mellen und materiellen Gesetzeskraft. Wenn im Wege des Gesetzes ein zwischen zwei
Parteien, z. B. zwei Bundesstaaten schwebender Rechtsstreit entschieden wird, so hat
dies materiell nicht die Wirkung, dass eine neue Rechtsregel sanktioniert oder
authentisch interpretiert wird, also nicht die Wirkung eines Gesetzes im materiellen
Sinne, sondern es wird nach Massgabe des geltenden Rechts ein konkreter AÄn-
spruch für begründet erklärt oder als unbegründet zurückgewiesen, d. h. es tritt
dieselbe Wirkung ein, wie sie jedes Urteil hat; formell aber hat eine solche Erledi-
gung allerdings nicht die Rechtskraft des Urteils, sondern diejenige des Gesetzes; es
gibt kein prozessual. Rechtsmittel dagegen, es kann nicht nach den Regeln der Civil-
proz.-O. zwangsweise vollstreckt werden, es kann nur iin Wege der Gesetzgebung auf-
gehoben werden usw.
2) V. v. 26. Juli 1867 $ 2 (BGBl. S. 24).