142 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. 8 16
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Verordnung erlassen wird, macht in dieser Beziehung keinen Unterschied }).
Nicht jede Veröffentlichung aber ist Verkündigung, sondern nur diejenige,
welche zugleich eine staatsrechtliche Gewähr für die Authentizität der ver-
öffentlichten Verordnung bietet, d. h. welche unter Verantwortlichkeit ge-
schieht. Diesem Erfordernis wird aber nur genügt durch die Veröffentlichung
im Reichsgesetzblatt, für dessen Inhalt der Reichskanzler die Verantwortlich-
keit trägt. Ein Abdruck im Zentralblatt für das Deutsche Reich oder im
Reichs-Anzeiger usw. kann nur die Bekanntschaft des Publikums mit der
Verordnung fördern, aber nicht als Verkündigung im staatsrechtlichen Sinne
gelten. Dass Verordnungen im Reichsgesetzblatt verkündet werden müssen,
ergibt sich auch aus dem Art. 2 der RV., da hier das Wort ‚„Reichsgesetze“
im materiellen Wortsinn verwendet ist, also alle Rechtsvorschriften umfasst 2).
Es ist dies aber nicht unbestritten?). Für die Verkündigung der Polizei-
verordnungen in den Konsulargerichtsbezirken, in den Kriegshafenbezirken
und in den Schutzgebieten bestehen besondere Vorschriften.
Andere Regeln gelten selbstverständlich für diejenigen Verordnungen,
deren Erlass den Einzelstaaten delegiert ist. Beruht die verbindliche Kraft
derselben auch auf der vom Reiche erteilten Ermächtigung, so sind sie doch
Willenserklärungen des Einzelstaates und nur für das Gebiet desselben ver-
bindlich; sie werden daher vom Einzelstaat nicht nur sanktioniert, sondern
auch publiziert, und die hierbei zu beobachtenden Formen bestimmen sich
nach den Vorschriften des Landesstaatsrechts.
6. Die verbindliche Kraft der Rechtsverordnungen des Reiches beginnt
mit dem im Art. 2 der RV. festgesetzten Zeitpunkt, wenn sie nicht selbst
einen anderen Anfangstermin bestimmen, da dieser Artikel, wie erwähnt,
sich nicht bloss auf Gesetze im formellen Sinne, sondern auf alle Anord-
nungen, welche Rechtsvorschriften enthalten, bezieht.
Die verbindliche Kraft der Verordnungen kann resolutiv bedingt sein,
indem das Verordnungsrecht gesetzlich mit der Beschränkung delegiert ist,
dass die Verordnung dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentritt zur
Genehmigung vorzulegen ist, und dass sie ausser Kraft tritt, wenn der Reichs-
tag die Genehmigung versagt, oder dass sie auf Verlangen des Reichstages
ausser Kraft zu setzen ist.
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1) Vgl. auchHänel, Studien II S.65 fg. RosinS.168ff. JellinekS. 394,
3) Für die vom Kaiser erlassenen Verordnungen ist übrigens in der V. v. 26.
Juli 1867 (BGBl. S. 24) ausdrücklich vorgeschrieben worden, dass sie in dem Reichs-
gesetzblatt verkündet werden sollen. Die Ausführunge dieser Vorschrift liegt dem Reichs-
kanzler als Minister des Kaisers ob.
3) Die im Text ausgeführte Ansicht ist auch in der Literatur die vorherrschende.
Vgl. Thudichum, Verf.-R. S. 93 Note 4. Hänel S. 66. 9lfg. Hensel S. 27.
Binding, Strafrecht I S. 207. Seligmann SS. 166fg. Schulze, Staatsr.
II 82883 G.Meyers $159 Note 9 u. $ 165 a. E. u. andere. Jedoch hat die entgegen-
gesetzte Ansicht auch namhafte Vertreter: Löning, Verwaltungsr. S. 239 Note 1.
Seydel, Bayer. Staatsr. II S. 315 Anm. 21 u. Kommentar S. 45. Dyroff 8.883
Note 4. Arndt, Verordnungsr. 8. 182ff. 198ff. Auch das Reichsgericht,
Ieöntsch. in Zivilsachen Bd. 40 8. 76 u. Bd. 48 8. 84 ff., hat sich der letzteren Ansicht
angeschlossen, indem es anniınmt, dass beim Mangel einer ausdrücklichen verfassungs-
mässigen Formvorschrift der Bundesrat in der Bestinnmung der Verkündigungsweise
freie Tand habe. Vgl. dagegen meine Abhandl. im Arch. f. öffentl. R. Bd. 18 8, 305 ff.
u. in Staatsr. d.D. R. (5. Aufl.) II S. 108 ff.