148 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 18
gäbe, deren Träger die Gerichte sind. Diese Unabhängigkeit ist in denjenigen
Fällen durch die Natur der Sache geboten, in welchen die Staatsordnung
Entscheidungen verlangt, die durch keine andere Rücksicht als durch die auf
das positive Recht beeinflusst werden sollen. Allein auch hier braucht sich
die Zuständigkeit der Gerichte, de Gerichtsbarkeit, nicht mit der
Rechtspflege im Sinne von Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zu decken.
Es können vielmehr einerseits den Gerichten Geschäfte übertragen werden,
bei denen es sich nicht um Urteile über das konkrete Recht streitender Par-
teien handelt, und andererseits können anderen Behörden als den Gerichten
in weitem Umfange Entscheidungen nach Rechtsgrundsätzen zugewiesen
werden. Es gibt daher kein aus dem materiellen Inhalt der gerichtlichen Akte
zu entnehmendes Kriterium, durch welches die Sphäre der Gerichtsbarkeit
von der Gesamtheit aller übrigen staatlichen Geschäfte in durchgreifender
Weise abgegrenzt wird, und insbesondere deckt sich der Begriff der Gerichts-
barkeit durchaus nicht mit dem materiellen Begriff der Rechtspflege oder gar
der Gesetzesanwendung; sondern Gerichtsbarkeit ist gleichbedeutend mit
der Zuständigkeitssphäre der Gerichte.
‘Wenn man nun aus der Gesamtsumme aller staatlichen Funktionen die-
jenigen ausscheidet, welche zur Zuständigkeit der Gesetzgebungsorgane und
der Gerichte gehören, so entsteht naturgemäss das Bedürfnis, den übrigblei-
benden Rest durch eine gemeinsame Bezeichnung zusammenzufassen. Die
ältere, von Montesquieu begründete Lehre stellte daher den pouvoirs legis-
latif und judiciaire das pouvoir 6xecutif gegenüber; die neuere Wissenschaft
hat diese Auffassung als zu eng und unzutreffend erkannt und spricht von der
vollziehenden Gewalt, von dem pouvoir administratif oder der Verwal-
tung. Man kommt daher zu der Definition: Verwaltung ist alles dasjenige,
was nicht zur Sphäre der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit gehört.
Diese Definition gibt aber kein positives Merkmal; sie sagt nur, was nicht
Verwaltung ist. Aus dem Gegensatz gegen diejenigen staatlichen Akte, welche
der Herrschaft des Staatsoberhauptes durch die freie Selbstbestimmung des
gesetzgebenden Körpers und durch die Unabhängigkeit der Gerichte ent-
rückt sind, lässt sich aber auch ein positives Kennzeichen gewinnen. Ver-
waltung ist die Summe aller staatlichen Handlungen, welche der Leitung des
Staatsoberhaupts unterliegen; sie bildet in der Monarchie den Machtbereich
des Landesherrn, der frei ist von der Mitwirkung der Volksvertretung und un-
beschränkt durch die Gesetzesauslegung der Gerichte. Diese Macht kommt
zur Ausübung durch das freie Ernennungsrecht der Minister und durch die
Pflicht der Behörden zum Gehorsam gegen die Anordnungen der letzteren.
Hiernach deckt sich der Bereich der Verwaltung in diesem Sinne mit dem
Umfang der konstitutionellen Ministerverantwortlich-
keit.
Auf diesem Wege hat die konstitutionelle Monarchie die absolute Ge-
walt des Monarchen vollständig beseitigt; im Bereich der Gesetz-
gebung durch die Mitwirkung der Volksvertretung, im Bereich der Gerichts-