Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 20 . Reichsverwaltung und Staatsverwaltung. 163 
  
  
gemäss Art. 7 Ziff.3 der RV. die Entscheidung zu treffen. Siehe oben $. 30 fg. 
c) Die unmittelbare Verwaltung wird von den Einzelstaa- 
ten kraft eigenen Rechts geführt. Demgemäss wird aus den Verträgen, welche 
die Behörden der Einzelstasten bei Gelegenheit dieser Geschäftsführung ab- 
schliessen, nicht der Reichsfiskus, sondern der Landesfiskus verpflichtet und 
berechtigt, und zwar auch dann, wenn die Verwaltung für Rechnung des 
Reiches geführt wird. Ebenso sind die obrigkeitlichen Verfügungen Betäti- 
gungen der Staatsgewalt der Bundesglieder; daher kommen die Regeln des 
Landesstaatsrechts auf sie zur Anwendung, insbesondere hinsichtlich der 
Kompetenz der Behörden, der Formen der gegen sie zulässigen Beschwerden 
usw., soweit nicht durch Reichsgesetz besondere Vorschriften ergangen 
sind. Auch die Leitung der Verwaltung steht den Zentralbehörden der 
Einzelstaaten zu, nicht dem Reichskanzler. Der letztere kann den Landes- 
behörden unmittelbar keine Dienstbefehle erteilen; er kann sich nur an die 
Regierung des Einzelstaats wenden und sie auffordern, für die Befolgung der 
vom Reiche erlassenen Anordnungen Sorge zu tragen und die Landesbehörden 
dazu anzuhalten !). Das Reich kann daher die von den Behörden der Einzel- 
staaten erlassenen Verfügungen weder aufheben noch abändern, noch gegen 
die Beamten einschreiten, sondern es kann nur auf Grund des Art. 19 der RV. 
gegen das Bundesglied wegen: Nichterfüllung seiner verfassungsmässigen 
Pflichten die Exekution vollstrecken. 
d) Aus der erörterten Verteilung der Verwaltungsgeschäfte ergibt sich, 
wer die Verantwortlichkeit für die hier in Frage stehenden Ver- 
waltungszweige trägt. Nur die Kontrolle dieser Verwaltungen ist ein 
Geschäft des Reiches; demgemäss ist der Reichskanzler dem Kaiser und dem 
Reichstage dafür verantwortlich, dass er diese Kontrolle pflichtgemäss und 
mit der erforderlichen Sorgfalt und Umsicht handhabt. Eine Vertretung des- 
selben kann nur durch einen Generalstellvertreter geübt werden; Stellver- 
treter für einzelne Verwaltungszweige sind unstatthaft (s. oben S. 91). Die 
Minister der Einzelstaaten dagegen sind ihren Landesherren und Landtagen 
gegenüber verantwortlich für die gesetzmässige und zweckentsprechende 
Führung der unmittelbaren Verwaltung. - 
3. Die unmittelbare Reichsverwaltung. Das Reich 
kann unter Benutzung der Gesetzesform der Verwaltungstätigkeit der Reichs- 
behörden bestimmte Aufgaben zuweisen, Handlungen vorschreiben usw., 
mit einem Wort die obersten Verwaltungsbefehle erteilen. Die Befugnis, die 
zur Ausführung der Gesetze erforderlichen Verwaltungsvorschriften zu er- 
—— - 
1) Gerade darauf, dass der Reichskanzler nicht die vorgesetzte Oberbehörde der 
Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten ist und ihnen keine Dienstbefehle erteilen kann, 
beruht es, dass die Reichsverf. dem Bundesrat die Befugnis erteilt hat, allgemeine, 
d. h. für alle Einzelstaaten massgebende Verwaltungs verordnungen zu beschlies- 
sen. Dadurch wird die Gleichmässigkeit in der Handhabung der Reichsgesetze in allen 
Bundesstaaten gesichert. Zum Erlass von Rechts verordnungen hat die Reichsverf. 
dagegen dem Bundesrat ebensowenig eine allgemeine Ermächtigung erteilt, wie sie den 
Ministern der Einzelstasten oder für das Gebiet der unmittelbaren Reichsverwaltung 
dem Reichskanzler eingeräumt ist. Was die einzelnen Regierungen für ihre Staaten 
nicht können, das vermögen sie auch zusammen nicht durch ihre Bundesratsbevoll- 
mächtigten für das Reich zu tun. . 
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