Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

164 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. 8 21 
  
lassen und Einrichtungen zum Zweck der Verwaltungstätigkeit zu treffen, 
steht dem Bundesrat zu, falls sie nicht durch spezielle gesetzliche Anordnung 
dem Kaiser oder dem Reichskanzler übertragen ist. Die Leitung der 
amtlichen Tätigkeit der Verwaltungsbehörden steht dem Reichskanzler und 
den ihm unterstellten Zentralbehörden des Reiches zu; für die einzelnen Ver- 
waltungszweige können verantwortliche Stellvertreter des Reichskanzlers 
ernannt werden (s. oben S. 90 fg.). Er ist befugt, den ihm unterstellten Be- 
hörden innerhalb der durch Reichsgesetze und Bundesrats-Beschlüsse gezo- 
genen Schranken Dienstbefehle (Instruktionen, Reglements, General-Ver- 
fügungen) zu erteilen, denen dieselben Gehorsam schuldig sind. 
Die von den Reichsbehörden im Betriebe ihrer Verwaltungsgeschäfte ab- 
geschlossenen Verträge berechtigen und verpflichten den Reichsfiskus; alle 
mit der Verwaltungstätigkeit verbundenen Ausgaben und Einnahmen erfolgen 
für Rechnung des Reiches und unterliegen der Prüfung des Rechnungshofes. 
$ 21. Die Staatsverträge !). I. Begriff und juristische Natur. Willens- 
akte des Staates, gleichviel worin ihr Inhalt besteht, können in der Form 
des völkerrechtlichen Vertrages sich vollziehen. Von einem Gesetz und einer 
Verordnung unterscheidet sich der Staatsvertrag dadurch, dass das Gesetz 
(sowie die Verordnung) ein Befehlist, den die Staatsgewalt an ihre Unter- 
tanen erlässt, dass der Staatsvertrag dagegen ein Versprechen ist, welches 
einem gleichberechtigten Kontrahenten erteilt wird. In dem Staatsvertrage 
verpflichtetsich der Staat etwas zu geben, zu tun, zu unterlassen. 
Während nun der Staat die Befolgung seiner Befehle von seinen Untertanen 
durch die staatlichen Machtmittel erzwingt, kann es keinen staatlichen 
Zwang zur Erfüllung von Staatsverträgen geben, da der Staat nicht gegen 
sich selbst Zwang zu üben vermag; sondern es gibt lediglich einen völker- 
rechtlichen Zwang, welchen der eine Kontrahent gegen den anderen 
zur Anwendung bringt, wenn er es für erforderlich oder nützlich hält. Ein 
Stasatsvertraghatanund für sich gar keineRechts- 
wirkungen nach innen (gegen Behörden und Untertanen), son- 
dern einzig und allein nach aussen. Staatsverträge sind 
1) Gneist, Kommissionsbericht in den Drucksachen des preuss. Hauses der 
Abgeordneten 1868 Nr. 236. Ernst Meier ‚ Ueber den Abschluss von Staatsverträgen. 
Leipz. 1874. Gori.us in Hirths Annalen 1874 S. 759 ff. G. Meyer ebenda 1878 
S. 378 ff. u. Staatsr. $ 189. 190. v. Unger in Grünhuts Zeitschr. Bd. VI 8. 3489 ff. 
(1879). Jellinek, Dierechtl. Natur der Staatenverträge. Wien 1880. Derselbe, 
Gesetz und Verordnung 1887 S. 341ff. Zorn, Zeitschr. f. die ges. Staatswissensch. 
Bd. 36 8. 1£f. J. A. Levy, Wet of Tractat? s’Gravenhage 1880. Insbesondere Max 
Pröbst in Hirths Annalen 1882 S. 241ff. Ferner G. Prestele, Die Lehre vom 
Abschlusse völkerrechtl. Verträge. München 1882. Leoni im Archiv für öffentl. 
Recht Bd. I S. 4988 ff. Affolter ebenda Bd. VI 8. 378ff. Seligmann, Ab- 
schluss und Wirksamkeit der Staatsverträge 1890. Fr. Tezner, Zur Lehre von der 
Gültigkeit der Staatsverträge. In Grünhuts Zeitschrift Bd. XX S. 120 ff. 1892.Stoerk 
in v. Stengels Wörterbuch ILS. 516ff. (Art. Staatsverträge),. Nippold, Der völker- 
rechtl. Vertrag. Bern 1894. Heilborn, System des Völkerrechts. Berlin 1896 
S. 143ff. Derselbe, Der Staatsvertrag als Staatsgesetz; im Arch. f. öffentl. R. 
Bd. XII S. 141ff. Triepel, Völkerrecht u. Landesrecht (1899) S. 236 ff. Riess, 
Die Mitwirkung der gesetzg. Körperschaften bei Staatsverträgen 1904 (Abhandlungen 
von Brie Heft 10, Anschütz, Enzyklop. S. 617fg. Dambitsch 8. 286 ff. 
Radnitzky, Jahrb. des öff. R. 1911 S. 55 ff. Beachtenswert ist auch die Mono- 
graphie von Donati, I Trattati internazionali nel diritto costituzionale. Torino 1906.
	        
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