8 21 Die Staatsverträge. III. Der Abschluss. 177
steller neigen aber der Ansicht zu, dass die unter Art. 11 Abs. 3 fallenden
Verträge ohne die Zustimmung des Bundesrats und die Genehmigung des
Reichstages auch völkerrechtlich ungültig sind }).
Eine dritte Ansicht erklärt die Zustimmung des Bundesrats für erfor-
derlich zum völkerrechtlich gültigen Abschluss des Vertrages, dagegen die
Genehmigung des Reichstages zur staatsrechtlichen Vollziehbarkeit. Ihr
steht der Wortlaut des Art. 11 zur Seite, indem er ebenfalls unterscheidet
und die Zustimmung des Bundesrats zum Abschluss, die Genehmigung des
Reichstages zur Gültigkeit erfordert ?). Durch stilistische Rücksichten war
diese Verschiedenheit des Ausdrucks zwar nicht geboten, siekonnte aber doch
auf ihr beruhen. Der Abgeordnete Lette, auf dessen Antrag Art. 11 den in
Rede stehenden Zusatz erhalten hat, bemerkte: ‚Es ist eineandereFas-
sungin bezug auf den Reichstag gewählt als in bezug auf den Bundesrat.“
In den vom Kaiser ausgefertigten Ratifikationsurkunden wird die Zustimmung
des Bundesrats ebensowenig erwähnt und beglaubigt, wie die Genehmigung
des Reichstags.
Endlich ist es streitig, ob auch Friedensverträge unter die Bestimmung
des Abs. 3 fallen oder unbedingt zur Prärogative des Kaisers gehören °).
2. Die Leitungder Verhandlungen mit auswärtigen Staa-
ten über den Abschluss von Staatsverträgen, die Ernennung und Beglaubi-
gung der Beamten, denen die Führung der Verhandlungen übertragen ist,
sowie die Erteilung der Instruktionen für dieselben gehört zu den dem Kaiser
zustehenden Regierungsgeschäften. Indes ist bei Handels- und Schiffahrts-
verträgen mit Oesterreich und der Schweiz der Kaiser verpflichtet, die an-
grenzenden Bundesstaaten zur Teilnahnıe an den vorangehenden Verhand-
lungen einzuladen, ohne dass diesen Staaten aber ein Veto gegen den Ab-
schluss des Vertrages zusteht ®), und es ist ferner ‚anerkannt‘, dass bei den
Verhandlungen über Post- und Telegraphen-Verträge mit ausserdeutschen
Staatsr. (3. Aufl.) $54 Note 2. G. Meyer, Annalen 1878 S. 379 ff.u. Staatsrecht $ 190,
ferner Rykin Heymanns Krit. Literaturbl. 1879 8. 85 fg. Klöppel, Preuss. Jahrb.
Bd. 52 8. 294 ff. Störkin v. Stengels Wörterbuch Bd. 11 S. 521; Anschütz,
Enzyklop. S. 617. 618. Arndt, Staatsr. S. 711. v. Jagemann, $S. 106. Dam-
bitsch 8. 297 u. Andere.
1) Die beste Verteidigung dieser Anschauung ist die vonPröbsta.a. O.S. 292 ff.
Vgl. ferner Unger, Zorn, Prestele 8. 48ff. Gierke in Grünhuts Zeitschr.
Bd. VIS. 231. Seligmann und über die allgemeine theoretische Frage Tezner
a. a. O. S. 168 ff.
2) M. Seydel, Kommentar z. RV. S. 164. „Zum Abschluss‘‘ bedeutet ‚‚zur
Ratifikation‘; wenn der Verschiedenheit des Ausdrucks eine Bedeutung zukäme,
so würde sie darin zu finden sein, dass die Ratifikation des Vertrages erst erfolgen dürfe,
nachdem der Bundesrat zugestimmt hat, während die Zustimmung des Reichstages erst
nach erfolgter Ratifikation nachgesucht werden könne. Die Ratifikation erfolgt aber
— von sehr seltenen Ausnahmefällen abgeselien — immer erst, nachdem sowohl der
Bundesrat als auch der Reichstag zugestimmt haben; die Unterscheidung ist daher je-
denfalls praktisch von ganz geringer Bedeutung. \
3) Vgl. über diese Frage Prestele 8. 78fg. und besonders Pröbst 8. 314 ff.
G. Meyer $ 190 Note 16 gibt eine vollständige Zusammenstellung der Literatur. Für
die Ansicht, dass für Friedensverträge andere Regeln gelten wie für die übrigen Staats-
verträge, lässt sich abgesehen von den politischen Betrachtungen nichts anführen, als
dass im Art. 11 Abs. 1 das Recht ‚Frieden zu schliessen‘‘ besonders erwähnt ist.
4) Schlussprotokoll zum Art. 8 $ 6 des Zollvereins-Vertrages v. 8. Juli 1867 (BGBl.
1867 8.108). RV. Art. 40. Vgl. Rud. Delbrück, der Art. 40 der RV. Berl. 1881 8. 49 fg.
Laband, Reichsstaatsrecht. 6. Aufl. 12