Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

  
& 21 IV. Die Staatsverträge der Bundesglieder. 179 
IV. Die Staatsverträge der Bundesglieder. Die Reichsverfassung ent- 
hält keine Bestimmung darüber, inwieweit den einzelnen Gliedstaaten die 
Befugnis zum Abschluss von Staatsverträgen verblieben ist; aus den allge- 
meinen Prinzipien der Verfassung ergibt sich aber, dass den Einzelstaaten 
der völkerrechtliche Verkehr mit fremden Staaten, sowie der Abschluss von 
Staatsverträgen unter einander nicht entzogen, wohl aber beschränkt worden 
ist. Dieser Satz ist zweifellos und unbestritten und durch eine unangefochtene 
und vielfach betätigte Praxis bekräftigt !). Einer Erörterung bedarf jedoch 
die Frage, in welchem Verhältnis das Recht der Einzelstaaten zu den Hoheits- 
rechten des Reiches steht. 
1. Der Umfang, in welchem den Einzelstaaten das Recht zur Ver- 
tragsschliessung verblieben ist, begrenzt sich durch folgende Sätze 2): 
&a) Aus der staatsrechtlichen Unterordnung der Einzelstaaten unter das 
Reich und der hierauf beruhenden Verpflichtung der Einzelstasten und ihrer 
Regierungen zur Treue ergibt sich, dass kein Gliedstaat weder mit einem 
anderen Bundesstaat noch mit einer ausländischen Macht einen Vertrag ab- 
schliessen darf, welcher gegen die Sicherheit, Existenz oder Integrität des 
Deutschen Reiches oder eines Gliedes desselben oder gegen dessen Verfassung, 
Landesherrn usw. gerichtet ist. Ein solcher Vertrag würde nicht bloss nich- 
tig sein, sondern diejenigen Personen, welche an dem Abschluss desselben 
wissentlich teilnehmen, würden sich nach $$ 81, 83, 84 und 87 ff. des Reichs- 
strafgesetzbuchs des Hochverrates oder Landesverrates schuldig machen. 
b) Was die Gegenstände anlangt, über welche die Einzelstaaten Ver- 
träge schliessen können, so ergibt sich die Begrenzung derselben aus dem Satz, 
dass, soweit die Einzelstaaten gewisse Hoheitsrechte überhaupt nicht mehr 
haben, sie auch keine Verpflichtung über die Art und Weise ihrer Ausübung 
übernehmen können. Demgemäss ist die Kompetenz zum Abschluss von 
Staatsverträgen in vollkommen gleicher Weise zwischen Reich und Einzel- 
staaten verteilt wie die Kompetenz zur Gesetzgebung und Verwaltung ?). 
Entzogen ist daher der Einwirkung der Einzelstasten durch internationale 
Verträge das gesamte Gebiet der auswärtigen Politik; sie können ferner keine 
Verträge schliessen über Angelegenheiten, welche die Verfassung des Reiches 
selbst, seine Organisation, Behörden, Finanzwirtschaft usw. betreffen; 
über Veränderungen des Bundesgebiets, über Eingriffe in die Gebietshoheit, 
über Konsulatswesen, Zollwesen, Seeschiffahrt und andere handelspolitische 
Angelegenheiten, über Gegenstände, welche den Oberbefehl und die Verwen- 
dung der bewaffneten Macht, wenngleich nur mittelbar und für irgend welche 
Eventualitäten, berühren könnten, sowie überhaupt über alle Materien, welche 
verfassungsmässig der ausschliesslichen Gesetzgebungs- und Ver- 
waltungs-Kompetenz des Reiches zugewiesen sind. 
lassung zum Armenrecht, der Schutz der Warenbezeichnungen u. a. Vgl. die Aus- 
führungen in meinem Staatsr. d. D. R. II 8. 153 fg. 
1) Eine Anerkennung der Fähigkeit der Einzelstaaten zum Abschluss von Staats- 
verträgen ist in Art. 50 Abs. 6, Art. 52 Abs. 3 und Art. 66 Abs. 1 der RV. enthalten. 
Pröbst 8.245 a. E. 
2) Vgl. die trefflichen Erörterungen von Hänel, Staatsr. I S. 547 ff. 
3) Pröbst 8. 246ff. Störk a. a. 0. Anschütza. a. O. x 
12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.