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IV. Die Staatsverträge der Bundesglieder. Die Reichsverfassung ent-
hält keine Bestimmung darüber, inwieweit den einzelnen Gliedstaaten die
Befugnis zum Abschluss von Staatsverträgen verblieben ist; aus den allge-
meinen Prinzipien der Verfassung ergibt sich aber, dass den Einzelstaaten
der völkerrechtliche Verkehr mit fremden Staaten, sowie der Abschluss von
Staatsverträgen unter einander nicht entzogen, wohl aber beschränkt worden
ist. Dieser Satz ist zweifellos und unbestritten und durch eine unangefochtene
und vielfach betätigte Praxis bekräftigt !). Einer Erörterung bedarf jedoch
die Frage, in welchem Verhältnis das Recht der Einzelstaaten zu den Hoheits-
rechten des Reiches steht.
1. Der Umfang, in welchem den Einzelstaaten das Recht zur Ver-
tragsschliessung verblieben ist, begrenzt sich durch folgende Sätze 2):
&a) Aus der staatsrechtlichen Unterordnung der Einzelstaaten unter das
Reich und der hierauf beruhenden Verpflichtung der Einzelstasten und ihrer
Regierungen zur Treue ergibt sich, dass kein Gliedstaat weder mit einem
anderen Bundesstaat noch mit einer ausländischen Macht einen Vertrag ab-
schliessen darf, welcher gegen die Sicherheit, Existenz oder Integrität des
Deutschen Reiches oder eines Gliedes desselben oder gegen dessen Verfassung,
Landesherrn usw. gerichtet ist. Ein solcher Vertrag würde nicht bloss nich-
tig sein, sondern diejenigen Personen, welche an dem Abschluss desselben
wissentlich teilnehmen, würden sich nach $$ 81, 83, 84 und 87 ff. des Reichs-
strafgesetzbuchs des Hochverrates oder Landesverrates schuldig machen.
b) Was die Gegenstände anlangt, über welche die Einzelstaaten Ver-
träge schliessen können, so ergibt sich die Begrenzung derselben aus dem Satz,
dass, soweit die Einzelstaaten gewisse Hoheitsrechte überhaupt nicht mehr
haben, sie auch keine Verpflichtung über die Art und Weise ihrer Ausübung
übernehmen können. Demgemäss ist die Kompetenz zum Abschluss von
Staatsverträgen in vollkommen gleicher Weise zwischen Reich und Einzel-
staaten verteilt wie die Kompetenz zur Gesetzgebung und Verwaltung ?).
Entzogen ist daher der Einwirkung der Einzelstasten durch internationale
Verträge das gesamte Gebiet der auswärtigen Politik; sie können ferner keine
Verträge schliessen über Angelegenheiten, welche die Verfassung des Reiches
selbst, seine Organisation, Behörden, Finanzwirtschaft usw. betreffen;
über Veränderungen des Bundesgebiets, über Eingriffe in die Gebietshoheit,
über Konsulatswesen, Zollwesen, Seeschiffahrt und andere handelspolitische
Angelegenheiten, über Gegenstände, welche den Oberbefehl und die Verwen-
dung der bewaffneten Macht, wenngleich nur mittelbar und für irgend welche
Eventualitäten, berühren könnten, sowie überhaupt über alle Materien, welche
verfassungsmässig der ausschliesslichen Gesetzgebungs- und Ver-
waltungs-Kompetenz des Reiches zugewiesen sind.
lassung zum Armenrecht, der Schutz der Warenbezeichnungen u. a. Vgl. die Aus-
führungen in meinem Staatsr. d. D. R. II 8. 153 fg.
1) Eine Anerkennung der Fähigkeit der Einzelstaaten zum Abschluss von Staats-
verträgen ist in Art. 50 Abs. 6, Art. 52 Abs. 3 und Art. 66 Abs. 1 der RV. enthalten.
Pröbst 8.245 a. E.
2) Vgl. die trefflichen Erörterungen von Hänel, Staatsr. I S. 547 ff.
3) Pröbst 8. 246ff. Störk a. a. 0. Anschütza. a. O. x
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