Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

8 21 IV. Die Staatsverträge der Bundesglieder. 181 
  
mit anderen Staaten abgeschlossenen Verträge durch die völkerrechtlichen 
Mittel zu erzwingen; weder gegenüber anderen Gliedstaaten des Reiches, da 
hier gewaltsame Selbsthilfe unter denselben durch den Begriff des Reiches 
ausgeschlossen ist, noch gegenüber auswärtigen Staaten, da kein einzelner 
Staat des Reiches Krieg führen kann. Alle durch Staatsverträge erworbenen 
Rechte oder Ansprüche der Einzelstaaten finden daher ihren Schutz 
lediglich durch das Reich, und zwar bei Streitigkeiten unter 
verschiedenen Bundesstaaten nach Art. 76 Abs. 1 der RV., bei Streitigkeiten 
mit auswärtigen Staaten nach den Grundsätzen des Völkerrechts, im äusser- 
sten Falle durch Erklärung des Krieges im Namen des Reiches, wozu der 
Kaiser unter Zustimmung des Bundesrats nach Art. 11 Abs. 2 der RV. 
befugt ist. Ebenso kann kein auswärtiger Staat gegen einen deutschen Ein- 
zelstaat völkerrechtliche Zwangsmittel zur Durchführung der durch Staats- 
verträge begründeten Ansprüche in Anwendung bringen, ohne dass das Reich 
zum Schutze seines Mitgliedes und des Bundesgebietes einzutreten verpflich- 
tet wäre. Wenngleich daher die Befugnis der Einzelstaaten zum Abschluss 
von Staatsverträgen mit auswärtigen Staaten durch das Reich nicht absorbiert 
ist, so fällt dem Reiche doch die Vertretung der Einzelstaaten bei der völker- 
rechtlichen Geltendmachung der aus den Staatsverträgen hervor- 
gehenden Ansprüche und Verpflichtungen aktiv und passiv zu.
	        
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