$ 25 Die deutschen Schutzgebiete. 907
sein eines Reichsgesetzes voraus. Diesen Grundsätzen entsprechend
bestimmt das RG. v. 17. April 1886 $ 1 ‚die Schutzgewalt in den deutschen
Schutzgebieten übt der Kaiser aus‘.
1. Der Kaiser übt sie im Namen des Reichs, also als Or-
gan des Reichs aus, sowie er als Organ des Reichs die Staatsgewalt in Els.-
Lothr. ausübt. Diese Befugnis ist ein Teil der im Bundespräsidium ent-
haltenen Rechte, kein selbständig daneben stehendes, davon rechtlich ab-
gelöstes Recht. Die Schutzgewalt selbst ist ein Recht des Reichs; der Kaiser
hat ein gesetzliches Recht darauf, sie auszuüben. Daraus folgt, dass
die allgemeinen verfassungsrechtlichen Regeln über die Anordnungen des
Kaisers, namentlich das Erfordernis der Gegenzeichnung des Reichs-
kanzlers, auch auf die Ausübung der Schutzgewalt Anwendung finden.
Dasselbe gilt von dem Erfordernie der Verkündigung im Reichsgesetzblatt
für Gesetze und Rechtsverordnungen des Kaisers.
2. Der Kaiser ist weder an die Mitwirkung des Bundesrats noch an die-
jenige des Reichstages gebunden; falls er aber es für angemessen erachtet,
für seine Anordnungen den Weg der Reichsgesetzgebung zu beschreiten, so
steht ihm dies frei; er kann dann aber wegen der formellen Gesetzeskraft
dieser Anordnungen sie auch nur im Wege der Reichsgesetzgebung abändern
oder aufheben !).
3. Die dem Kaiser zustehende Ausübung der Schutzgewalt ist sachlich
unbeschränkt; sie umfasst alle Zweige der Staatstätigkeit. Sie betrifft
daher auch die Regelung der Rechtsordnung, das Gerichtswesen, die Polizei,
Finanzen (Zölle), Militär, Kirchenwesen usw. Nur in einer sehr wesentlichen
Beziehung besteht eine Ausnahme. Das RG. vom 17. April 1886 $ 2 be-
stimmt nämlich, dass das bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gericht-
liche Verfahren, einschliesslich der Gerichtsverfassung, sich nach den Vor-
schriften des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes richten, dass also die reichs-
gesetzlichen Bestimmungen über bürgerliches Recht (mit Vorbehalt des
Handelsgewohnheitsrechts), Strafrecht und Prozess und in Ermangelung
derselben die im bisherigen Geltungsbereich des preuss. Allgem. Landrechts
geltenden Vorschriften Anwendung finden. Nur in bestimmten Punkten,
welche in den Gesetzen vom 17. April 1886 und vom 15. März 1888 aufgeführt
worden sind, können durch kaiserl. Verordnung Abänderungen oder Er-
gänzungen an dem infolge des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes eintreten-
den Rechtszustande bewirkt werden. Diese Vorschriften sind durch das
Schutzgebietsges. v. 10. Sept. 1900 $ 3 aufrecht erhalten worden und haben
infolge des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes vom 7. April 1900 eine erheb-
liche Ausdehnung und Ergänzung erhalten. Die in dem Gesetz vorbehaltenen
Anordnungen sind in der Verordnung vom 9. November 1900 getroffen
worden. Zahlreiche Verordnungen haben seitdem einzelne Materien geregelt ?).
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1) A. Ans. H. Gierke in der Zeitschrift f. Kolonialr. Bd. 9 S. 420 ff. (1907).
2) Eine vollständige Aufzählung derselben muss hier unterbleiben; besonders
wichtige Beispiele sind die V. über die Rechte an Grundstücken v. 21. Nov. 1902
(RGBl. 8. 283), über die Enteignung v. 14. Febr. 1903 (RGBl. 8. 27), über das Berg-
wesen v. 27. Febr. 1006 (RGBl. 8. 363); über das Miünzwesen vom 1. Februar 1905;