Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

222 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 26 
  
welche fremde Konsuln handhaben dürfen, bestimmt wird. Mit zahlreichen 
Staaten hat aber das Deutsche Reich Verträge abgeschlossen, durch welche 
die Ausübung der den deutschen Konsuln übertragenen staatlichen Be- 
fugnisse sichergestellt worden ist !). Soweit diese Verträge den deutschen Kon- 
suln eine amtliche Wirksamkeit zuweisen, begründen sie zunächst nur inter- 
nationale Rechte des Reiches gegenüber dem Staate, mit welchem der Ver- 
trag geschlossen worden ist, während das Reichskonsulatsgesetz die staats- 
rechtliche Norm für die Befugnisse und Pflichten der Konsuln bildet. 
Die obrigkeitlichen Rechte der Konsuln lassen sich unter 
folgende Kategorien bringen: Ä 
a) Befugnisse der Standes-Beamten?). Der Reichskanzler 
kann einem Konsul des Deutschen Reiches für dessen Amtsbezirk die all- 
gemeine Ermächtigung zur Vornahme von Eheschliessungen und zur Beur- 
kundung der Geburten, Heiraten und Sterbefälle von Reichsangehörigen 
und Schutzgenossen erteilen ?); die Rechtsvorschriften über Ausübung 
dieser Befugnis sind in dem Gesetz vom 4. Mai 1870 enthalten; sie übertragen 
dem Konsul dieselben amtlichen Rechte und Pflichten, wie sie innerhalb 
des Bundesgebietes den Standesbeamten durch das Gesetz vom 6. Febr. 1875 
zugewiesen sind ?). Für die Ausübung dieses Hoheitsrechts kommt die bereits 
erwähnte Voraussetzung besonders in Betracht, dass der Staat, in dessen 
Gebiet der Konsul seinen Amtsbezirk hat, die Vornahme von Eheschliessungen 
und die Beurkundung des Personenstandes durch Vertreter auswärtiger 
Staaten überhaupt duldet. Die Ermächtigung wird nicht den Konsulaten, 
sondern den Konsuln persönlich erteilt. 
b) Befugnisse der Seemanns-Äemter. Im Auslande versehen 
die Konsulate des Deutschen Reiches für Hafenplätze die Funktionen der 
Scemannsämter 5). Ihre Befugnisse erstrecken sich auf alle Kauffahrteischiffe, 
welche das Recht, die Reichsflagge zu führen, ausüben dürfen und auf die 
Führer und Mannschaft dieser Schiffe ohne Rücksicht auf die Reichsan- 
gehörigkeit. Zu den Öbliegenheiten der Konsulate in ihrer Eigenschaft als 
Seemannsämter gehört auch die vorläufige Entscheidung bei 
bürgerlichen Streitigkeiten zwischen dem Schiffsmann und dem Schiffer 
und in gewissen Straffällen ®).. Auch sind die Konsuln befugt, den Führern 
deutscher Handelsschiffe den Befehl zu erteilen, deutsche Seeleute, welche 
im Auslande sich in hilfsbedürftigem Zustande befinden, behufs ihrer Rück- 
beförderung nach Deutschland nach dem Bestimmungshafen mitzunehmen. 
Ueber Weigerungsgründe, welche der Schiffsführer vorschützt, haben die 
— [m nn 
I) Ein Verzeichnis dieser Verträge (bis 1910) findet sich bei Zorn, Konsulargesetz- 
web. S. 524. 
32)v. König 8. 213ff. Ueber Eheschließungen siche Mariolle im Arch. 
f. öff. R. Bd. 13 8. 459 ff. u. den TIaager intern. Vertrag v. 12. Juni 1902 Art. 6. (BGBl. 
1904 8. 221). — 3) RG. v. +. Mai 1870 8 1. 
4) Jedoch erheben die Konsuln Gebühren. RG. v. 4. Mai 1870 $ 14. RG. v. 17. Mai 
1010 Tarif Nro. 3. 13. 17. 31. 
5) Seemianns-Ordn. $5 Abs. L (RGBI. 1902 8. 176). 
6) Seen:anns-Ordn. & 123 1g., 128 fg. Vel. auch WHandelsgesetzb. $ 749 Abs. 3 
in der Fassung des Gesetzes vom 2. Juni 102 (RGBl. S. 221).
	        
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