Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. A. Post- u. Telegraphenwesen. 237 
  
  
  
Korrespondenz sind in der Telegraphenordnung $ 7 und 8 und im internatio- 
nalen Telegıaphenvertrag Art. 10 festgesetzt worden. Die bestehenden Te- 
legraphen- und Telephongebühren können nur auf Grund eines Gesetzes 
erhöht werden; dagegen können sie auf dem Verordnungswege ermässigt 
werden. Telegraphengesetz $ 7. Die Fernsprechgebühren sind durch das 
Reichsgesetz vom 20. Dezember 1899 (RGBl. S. 711) festgesetzt. Befrei- 
ungen von der Entrichtung des Portos bestehen n ur, soweit sie in dem 
Gesetz v. 5. Juni 1869 aufrechterhalten sind, d. h. für die regierenden Fürsten 
des Deutschen Reichs, deren Gemahlinnen und Witwen. Ferner sind einst- 
weilen aufrecht erhalten worden die Portovergünstigungen, welche den Per- 
sonen des Militärstandes und denen deı Kriegsmarine bewilligt sind !). Dem 
Kaiser ist aber die Ermächtigung erteilt, diese Porto-Vergünstigungen auf- 
zuheben oder einzuschränken, nicht sie auszudehnen 2). Ausserdem wird 
kein Porto erhoben in reinen Reichsangelegenheiten ®). Von einer Befreiung 
von der Zahlungs pflieht im jurist. Sinne kann in diesem Falle nicht 
gesprochen werden, da die Zahlung doch nur eine Zahlung des Reichsfiskus 
an sich selbst wäre. In Bayern und Württemberg aber hat der Reichsfiskus 
in dem angegebenen Umfange allerdings ein Privilegium auf unentgeltliche 
Benutzung dor Postanstalten dieser beiden Staaten. Hinsichtlich der tele- 
graphischen Korrespondenz kann der Kaiser auf Grund des Art. 50 
Abs. 2 bestimmen, welche Depeschen auf den Reichs-Telegraphen gebühren- 
frei zu befördern sind ?). Eine Ausdehnung der gegenwärtig bestehenden 
Befreiungen ist aber nur auf Grund eines Gesetzes zulässig. Telegr.-Ges. $ 7. 
3. Auf der Eigenschaft der Post al. einer öffentlichen Verkehrsanstalt 
beruht di.- Verpflichtung derselben zur Bewahrung des sog. Briefge- 
heimnisses°) und Telegraphengeheimnisses®). Dasselbe 
umfasst &lle Arten von Postsendungen und telegraphischen Depeschen. 
Die Veıpflichtung bezieht sich also nicht bloss auf verschlossene Briefe, 
sondern auch auf Postkarten, Postanweisungen, Pakete usw. Den Post- und 
Telegraphenbeamten ist ferner nicht nur untersagt, über den Inhalt der 
Briefe, Pakete usw. Nachforschungen anzustellen und Mitteilungen darüber 
zu machen, sondern sie sind auch nicht befugt, die Tatsache, dass eine ge- 
wisse Korrespondenz überhaupt stattgehabt hat, unberufenen Personen 
zu verraten. Auch zu Mitteilungen darüber, welche Zeitungen jemand bei 
— 
  
1) Vgl. Armee-Verordn.-Bl. 1868 S. 64. — 2) Portofreiheitsges. $ 1 und $ 5. 
3) Der Reichstag ist in dieser Hinsicht den Reichsbehörden gleichgestellt. 
Portofreiheitsges. $$ 2. 4. Sendungen im Postscheckverkehr sind als Dienstsachen 
portofrei. Postscheckordn. $ 10. 
4) Diese Bestimmungen sind enthalten in der kaiserl. Verordn. v. 2. Juni 1877 
(RGBl. 8. 524). Auf den internen Verkehr Bayerns und Württembergs finden diese 
Bestimmungen, sowie Telegraphengesetz $ 7, keine Anwendung. 
656) Postges. $ 5: „Das Briefgeheimnis ist unverletzlich‘. Friedländer, 
Die Verletzung des Briefgeheininisses. Zeitschr. f. die ges. Strafrechtswissensch. Bd. 16 
S. 756 ff. Gerhard, Der strafrechti. Schutz des Briefes. Karlsr. 1905. Köhler, 
Der Schutz des Telephongeheimnisses (Blätter für Rechtsanw. in Bayern Bd. 69 
8.277 ££.). Scholz im Wörterb. des St. u. Verw. R.von v. Stengel-Fleischmann Bd. I 
8. 529 ff. Daselbst anderweitige Literaturangaben. Anschütz, Verf. Urk. des 
preuss. Staats zu Art. 33 (Bd. I S. 55l ff.). 
6) Telegraphenges. $ 8.
	        
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