$2 Staatenbund und Bundesstaat. 17
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satz ist genau derselbe, wie auf dem Gebiete des Privatrechts der Gegensatz
zwischen der Gesellschaft und der juristischen Person; die erstere ist ein
Rechtsverhältnis, die letztere ein Rechtssubjekt; so ist auch der
Stastenbund in allen seinen Erscheinungsformen ein Rechtsverhältnis unter
Staaten, ein Gebilde des Völkerrechts, nicht des Staatsrechts; dagegen jeder
Staat, auch der zusammengesetzte, schliesst, soweit die staatliche Organisation
reicht, die Anwendung völkerrechtlicher Grundsätze aus. Die rechtliche Grund-
lage des Staatenverbandes wie der Sozietät ist der Vertrag, die rechtliche
Grundlage des Staates wie der Korporation des Privatrechts ist die Verfassung,
das Statut. Die juristische Persönlichkeit des Staates besteht darin, dass der
Staat selbständige (eigene) Herrschaftsrechte behufs
Durchführung seiner Aufgaben und Pflichten und einen selbständigen Herr-
schaftswillen hat. Gerade darin liegt das Unterscheidende aller Arten von
Staaten gegenüber allen Arten von Staatenverbänden. Bei dem Staatenver-
band ist der Wille des Bundes nur der Ausdruck des gemeinsamen Willens der
Mitglieder; und zwar auch dann, wenn die Einrichtung getroffen ist, dass die
Minorität ihren Willen dem der Majorität unterwirft. Dagegen bei dem Staate,
auch dem zusammengesetzten, ist der Wille des Staates verschieden von dem
Willen seiner Mitglieder; er ist nicht die Summe ihrer Willen, sondern ein
ihnen gegenüber selbständiger Wille, auch wenn die Mitglieder berufen sind,
an dem Zustandekommen des Staatswillens mitzuwirken. Bei dem Staaten-
verbande stehen die öffentlichen Herrschaftsrechte der einzelnen verbundenen
Staaten jedem für sein Gebiet zu, wenngleich diese Rechte gemeinschaftlich
oder nach Massgabe übereinstimmender Normen ausgeübt werden !); die dem
zusammengesetzten Staate zustehenden Hoheitsrechte sind nicht Rechte seiner
Mitglieder, die der Staat gleichsam als gemeinschaftlicher Verwalter für alle
ausübt, sondern diese Rechte stehen dem Staate selbständig d.h. kraft eigenen
Rechtes zu, während die Mitglieder keinen Teil an ihnen haben, auch dann
nicht, wenn sie selbst zur Ausübung dieser Rechte berufen sind. Hieraus
folgt, dass bei dem völkerrechtlichen Verbande von Staaten die Mitglieder
selbst die Subjekte der höchsten Rechtsmacht sind, während bei der Ver-
einigung von Staaten zu einem zusammengesetzten Staatswesen eine Gewalt
vorhanden ist, welche über den Gliedstaaten steht und sie rechtlich beherrscht,
die letzteren also nicht die oberste Gewalt haben. Die oberste, höchste
Rechtsmacht, welche keine andere über sich hat, nennen wir souverän. Der
wesentliche, für den Begriff charakteristische Unterschied zwischen
dem völkerrechtlichen Staatenbund und dem verfassungsmässig organisierten,
korporativen Staatenstaat ist daher darin zu sehen, dass bei ersterem
dieEinzelstaatsgewalt, bei letzterem die Zentral-
gewaltsouveränist.
Hier erhebt sich nun aber die Frage, ob es mit dem Begriffe des Staates
vereinbar ist, dass derselbe dem Herrschaftsrechte eines andern Subjekts unter-
worfen sei. Denn wenn diese Frage verneint wird, so kann es keinen ‚‚Gesamt-
staat‘‘ geben, der „Staaten“ zu Mitgliedern hat; es gibt dann nur zwei Mög-
1) So z. B. im Zollverein von 1867 —1870.
L aband, Reichsstaatsrecht. 6. Aufl. 2