Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. A. Post- u. Telegraphenvwesen. 245 
  
  
Post-Inspektor und ein Telegraphen-Inspektor angestellt, welche den Dienst 
in allen seinen Teilen persönlich zu beaufsichtigen haben. 
2. Die Kompetenz des Bundesrats ist durch die im Art. 50 der 
RV. sanktionierten Grundsätze wesentlich beschränkt. Die Beschlussfassung 
über die allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, welche 
nach Art. 7 Ziff. 2 der Regel nach dem Bundesrat zusteht, ist ausgeschlossen 
und durch das Recht des Kaisers zum Erlass der reglementarischen Fest- 
setzungen und allgemeinen administrativen Anordnungen ersetzt, dem in 
Bayern und Württemberg das Recht der Landesregierungen zur Leitung 
der Post- und Telegraphen-Verwaltung entspricht. Die Wirksamkeit des 
Bundesrates beschränkt sich daher, soweit nicht die Form der Gesetzgebung 
Verwendung findet oder durch besondere Anordnung die Zustimmung des 
Bundesrates zum Erlass reglementarischer Vorschriften erfordert ist, 
vorzüglich auf diejenigen Post- und Telegraphen-Angelegenheiten, welche 
andere Verwaltungszweige mit berühren und auf diejenigen Gegenstände, 
welche für alle drei Postverwaltungen gemeinsam geregelt werden müssen, 
insbesondere auf den Wechselverkehr. Anstatt eines Bundesratsbeschlusses 
ist in den zuletzt erwähnten Angelegenheiten aber auch ein vertragsmässiges 
Abkommen zwischen den drei Verwaltungen zulässig. 
3. Auf die Beamten der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung findet 
das Reichsbeamtengesetz Anwendung. Vgl. oben S. 101 fg.!). Nach den Vor- 
schriften dieses Gesetzes bestimmen sich daher die Rechtsfolgen einer 
Verletzung der Dienstpflicht. Durch besondere strafrechtliche Sätze 
ist die Erfüllung der Dienstpflicht der Post- und Telegraphenbeamten im 
allgemeinen nicht geschützt, abgesehen von den Strafen, welche auf Ver- 
letzung des Briefgeheimnisses und Unterdrückung der der Post anvertrauten 
Briefe, Pakete und Telegramme gesetzt sind. Strafgesetzb. $ 354, 355. Eine 
Ausnahme besteht jedoch hinsichtlich einiger Klassen von Telegraphen- 
beamten: im Strafgesetzb. $ 318 Abs. 2 ist Gefängnis bis zu einem Jahre, 
oder Geldstrafe bis zu 900 Mk. gegen die zur Beaufsichtigung und Bedienung 
der Telegraphenanstalten und ihrer Zubehörungen angestellten Personen an- 
gedroht, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten 
die Benutzung der Anstalt verhindern oder stören. In diesem einen Falle 
ist die blosse Tatsache der „Pflicht-Vernachlässigung‘“, welche im übrigen 
lediglich die Voraussetzung disziplinarischen Einschreitens bildet, 
zum Tatbestand eines strafrechtlichen Deliktes erklärt worden, 
wenn sie einen gewissen Erfolg, nämlich die Verhinderung oder Störung 
der Benutzung der Telegraphen-Anstalt hervorbringt. 
4. Der Erlass der Vorschriften über die Qualifikation der Be- 
amten ist nach Art. 50 Abs. 1 der RV. den vom Kaiser bestellten Behörden 
übertragen. Auf Grund dieser Ermächtigung sind die Vorschriften über 
das Prüfungswesen der Postbesmten und über die durch dasselbe bedingten 
Stufen des Postdienstes von der Zentralbehörde erlassen worden ?). Die 
- 1) Vgl. die näheren Angaben hierüber im Reichsstaatsrecht III. 8. 101 ff. 
2) Die von den Landesregierungen angestellten Post- und Telegraphenbeaniten 
 
	        
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