Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

8 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. B. Das Eisenbahnwesen. 247 
  
auch die allgemeine Zuständigkeit des Reichs zur gemeinsamen Gesetzgebung 
über das gesamte bürgerliche Recht in Betracht, z. B. zur Regelung des 
Eisenbahnfrachtvertrages. Diese Zuständigkeit erstreckt sich in vollem 
Umfange auch auf Bayern, welchem im Art. 4 Ziff. 13 kein Reservat- 
recht zugestanden ist. Bis zum Zustandekommen eines Reichseisenbahn- 
gesetzes ist auch die dem Bundesrat im Art. 7 Ziff. 2 der RV. zugewiesene 
Befugnis, die zur Ausführung der Reichsgesetze erforder- 
lichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen, gegenstandslos. 
Bis zum Zustandekommen eines Reichseisenbahngesetzes hat der VII. Ab- 
schnitt der RV. eine Anzahl von Bestimmungen aufgenommen, um eine 
vorläufige Ordnung in den wichtigsten Beziehungen anzubahnen, die man 
als ein provisorisches Eisenbahn-Notgesetz bezeichnen kann. Sie begründen 
durchweg nur Pflichten der Einzelstaaten über die Art und Weise, wie sie 
die ihnen zustehenden Befugnisse ausüben sollen }). 
Im einzelnen enthält die Reichsverfassung folgende Vorschriften: 
I. Die Grundsätze über die Bedingungen, unter welchen die Anlage 
einer Eisenbabn rechtlich erlaubt ist, entbehren im allgemeinen der 
reichsgesetzlichen Regelung. Die Erteilung der erforderlichen Konzession 
und die Ausübung der Kontrolle über den Bau, sowie die Herstellung von 
Eisenbahnen aus Landesmitteln ist den Einzelstaaten überlassen 2). Das 
Reich hat sich darauf beschränkt, im Art. 41 der RV., welcherauch 
für Bayern Geltunghat, drei Rechtssätze zugunsten der Herstel- 
lung neuer Eisenbahnlinien zu sanktionieren. 
1. Dem Reiche selbst ist die Befugnis beigelegt, auch gegen den Wider- 
spruch der Bundesglieder, deren Gebiete die Eisenbahnen durchschneiden, 
Eisenbahnen entweder für Rechnung des Reiches anzulegen oder an Privat- 
unternehmer zur Ausführung zu konzessionieren und mit dem Expropri- 
ationsrecht auszustatten. Diese Befugnis kann aber nur ausgeübt werden 
kraft eines Reichsgesetzes, also unter Zustimmung von Bundesrat und Reichs- 
tag; und es soll von ihr nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Eisen- 
bahnen im Interesse der Verteidigung Deutschlands oder im Interesse des 
gemeinsamen Verkehrs für notwendig erachtet werden. Die Ausübung des 
dem Reiche zustehenden Rechtes erfolgt ‚unbeschadet der Landeshoheits- 
rechte“, d. h. dem Einzelstaat sollen alle diejenigen Hoheitsrechte verbleiben, 
1) Damit hängt die eigentümliche Fassung fast aller Bestimmungen dieses Ab- 
schnittes der Reichsverf. zusammen; namentlich der öfters wiederholte Ausdruck: ‚‚die 
Bundesstaaten verpflichten sich‘ oder ‚sind verpflichtet‘‘ oder ‚sollen dahin wirken, 
dass‘. Diese in so vielen Stellen übereinstimmend gebrauchte Ausdrucksweise, welche 
sich nur in dem das Eisenbahnwesen betreffenden Abschnitt der Reichsverfassung 
findet, schliesst die Annahme vollkommen aus, dass es sich um eine ungenaue Fassung, 
ein Redaktionsversehen handelt. Die Verfassung geht von dem klaren und konsequent 
durchgeführten Prinzip aus, dass die Bundesregierungen die Träger aller in 
den erwähnten Artikeln normierten Pflichten und der ihnen entsprechenden Rechte sind. 
2) Die Vorarbeiten für Herstellung, Konstruktion und Ausrüstung einer Eisen- 
bahn, beziehungsweise die Konzessionsbedingungen, müssen aber vor ihrer definitiven 
Feststellung von der obersten Landesbehörde dem Reichseisenbahnamt zur Prüfüng 
und Erklärung vorgelegt werden, damit die Interessen der Landesverteidigung und des 
allgemeinen Verkehrs sowie der Post- und Telegraphenverwaltung gewahrt werden 
können. Vgl. Eger1S8.63,117fg. KöhneS.43 ff.
	        
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