$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. B. Das Eisenbahnwesen. 249
Subjekt zu ergänzen; sie sollen die von ihnen im Art. 42 übernommene
‚‚ verpflichtung‘“ unter anderem dadurch erfüllen, dass sie übereinstimmende
Betriebseinrichtungen treffen und gleiche Bahnpolizei-Reglements einführen.
Dass die Einrichtungen ‚übereinstimmend‘ und die Reglements „gleich“
sein sollen, setzt eine Mehrheit von Anordnungen mit identischem Inhalt
voraus. Der formelle Erlass dieser Anordnungen gehört demnach
nicht zur Kompetenz des Reiches, sondern zu derjenigen der Einzelstaaten !).
In welcher Weise die Einigung derselben über den identischen Inhalt der
Reglements zu erfolgen hat, ist in der RV. nicht vorgeschrieben ; die Kompe-
tenz des Bundesrates au: Art. 7 Ziff. 2 der RV. ist zum mindesten zweifelhaft,
da diese Verfassungsbestimmung nur von Verwaltungsvorschrüten zur Aus-
führung der Reichsgesetze spricht, und überdies in der Verf. des
Nordd. Bundes, aus welcher die Art. 42 und 43 der RV. eninommen sind,
fehlte. Selbstverständlich ist es aber den Bundesstaaten unbenommen,
den Inhalt der Reglements durch Beratung und Beschlussfassung des Bundes-
rates festzustellen, sofern sie sämtlich damit einve’standen sind. Dieser Weg
ist in der Tat eingeschlagen worden: die im Art. 43 Abs. 1 der RV. in Aus-
sicht genommenen Bestimmungen sind innerhalb des Bundesrates verein-
bart und im Reichsgesetzblatt verkündet worden ?). Hierdurch ist den Einzel-
staaten die Befugnis genommen, an der Betriebsordnung Abänderungen vor-
zunehmen, soweit dies nicht in der Betriebsordnung vorbehalten ist.
2. Art. 43 der RV. enthält den ferneren Satz: „das Reich hat dafür
Sorge zu tragen, dass die Eisenbahn-Verwaltungen die Bahnen jederzeit
in einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten
und dieselben mit Betriebsmaterialso ausrüsten, wie das Verkehrs-
bedürfnis es erheischt“. Hier ist die Kompetenz des Reiches bestimmt
1) Uebereinstimmend Hänel, Studien II. S. 73, 81 fg. u. Staatsrecht S. 644 ff.
2) Dass Bahnpolizei-Reglement und die demselben beigefügte Sig-
nal-Ordnung sind vom Bundesrat am 4. Januar 1875 beschlossen und im Zen-
tralbl. 1875 S. 57 ff., 73 abgedruckt worden. Diese Bekanntmachung war keine Ver-
kündigung. In etwas abgeänderter Fassung wurde das Reglement vom Bundesrat
am 26. Nov. 1885 nochmals beschlossen und im $ 74 Abs. 2 angeordnet, ‚dass dasselbe
durch das Reichsgesetzbl. und das Zentralblatt, sowie ausserdem
von den Bundesregierungen publiziert wird‘. RGBl. 1885 S. 289. Sodann trat an die
Stelle des Bahnpolizei-Reglements die „Betriebsordnung für die Haupt-
eisenbahnen Deutschlands‘ vom 5. Juli 1892 (RGBl. S. 691 ff.), welche im $ 74
Abs. 2 „die Veröffentlichung durch das Reichsgesetzblatt‘‘ vorschreibt. Gleichzeitig
ergingen „Bestimmungen über die Befähigung von Eisenbahnbetriebsbeamten‘‘, welche
jetzt durch die Bestimmungen v. 8. März 1906 (RGBl. S. 391) ersetzt sind, sowie eine
neue Redaktion der Signalordnung, und eine Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen.
RGBI. 1892 S. 723. 733. 764. An die Stelle dieser Signalordnung ist jetzt die Signal-
ordn. v. 24. Juni 1907 (RGBl. S. 377) getreten. Endlich beschloss der Bundesrat am
4. Nov. 1904 die ‚„Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung‘“‘, welche im Reichsgesetzbl.
S. 387 verkündigt worden ist; sie trat an die Stelle der Normen für den Bau und die
Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands v. 5. Juli 1892, der Betriebsordnung
vom gleichen Tage und der Bahnordn. für die Nebeneisenbahnen. Die Befugnis, alle
diese Anordnungen zu treffen, hat sich der Bundesrat auf Grund der Art. 42 und 43 der
Reichsverf. beigelegt. Die in der Betriebsordn. enthaltenen Strafandrohungen sind nur
verbindlich, insofern sie in den einzelnen Staaten nach Massgabe der landesrecht!.
Vorschriften erlassen worden sind. Vgl. Schollen, Die Rechtsgültigk. der Straf-
drohung in $ 62 der Betriebsordn. Bonn 1897 u. Grossmann in Fischers Zeitschr.
f. Praxis u. Gesetzgebung der Verw. in Sachsen Bd. 19 (1898) S. 22 fg.