Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

959 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 27 
  
  
  
lassen. In eine neue Phase trat diese Angelegenheit durch den Berner Ver- 
trag überdeninternationalen Eisenbahnfrachtver- 
kehr vom 14 Oktober 1890 (RGBl. 1892 S. 793 ff.), durch welchen 
übereinstimmende Regeln für den Eisenbahntransport von Gütern, welche 
auf Grund eines durchgehenden Frachtbriefs aus dem Gebiete eines der 
vertragschliessenden Staaten in das Gebiet eines anderen vertragsschliessen- 
den Staates befördert werden, vereinbart wurden !). Die bisher im Gebiete 
des deutschen Betriebsreglements geltenden Grundsätze mussten in manchen 
Beziehungen erhebliche Aenderungen erfahren, um den Beitritt Frank- 
reichs, Belgiens, der Schweiz, sowie Russlands zu dem Vertrage zu ermög- 
lichen ?2). Da nun aber für den Inlandsverkehr keine wesentlich anderen, 
namentlich keine ungünstigeren Bestimmungen gelten können, wie für die 
aus dem Auslande eingehenden oder in das Ausland versendeten Güter, 
so musste das Betriebsreglement umgearbeitet und mit den im Berner Ver- 
trage aufgestellten Grundsätzen in Einklang gebracht werden. Dies ist ge- 
schehen durch die Verkehrs-Ordnung für die Eisenbahnen Deutsch- 
lands v. 15. Nov. 1892, welche vom Bundesrat ‚auf Grund des Artikels 45 
der Reichsverfassung‘“ beschlossen und im Reichsgesetzbl. S. 923 verkündet 
worden ist. Sie ist mit dem 1. Januar 1893 an die Stelle des Betriebsregle- 
ments von 1874 getreten. Gleichzeitig sind besondere erleichternde Vor- 
schriften für den welchselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbahnen Deutsch- 
lands und Oesterreich-Ungarns vereinbart worden (RGBl. 1892 S. 1015 ff.). — 
Die Bestimmungen der Verkehrsordnung, welche sich auf das Rechtsverhält- 
nis der Eisenbahn-Unternehmer zu den Absendern beziehen, waren gerade 
so wie diejenigen der Postordnung, Vertragsfestsetzungen, nicht 
Rechtssätze, für die durch dieFrachtgeschäfte begründeten Rechtsverhältnisse, 
für die Eiesenbahnbeamten aber Verwaltungsbefehle (Dienstinstruk- 
tionen) für ihre amtliche Tätigkeit im Transportgewerbe der Eisenbahnen. 
Durch das neue Handelsgesetzbuch hat sich aber die Bedeutung deı Eisenbahn- 
Verkehrsordnung vollständig geändert; sie ist zur Rechtsnorm erhoben 
worden, sie soll ein Gesetz im materiellen Sinne des Wortes sein, welches 
teils dem HGB. vorgeht, soweit das HGB. selbst auf Vorschriften der Ver- 
kehrsordn. verweist, teils das HGB. ergänzt, und zwar wird den Vorschriften 
der Verkehrsordnung die Kraft des zwingenden Rechts beigelegt. HGB. $ 471 
Abs. 2. Die Zuständigkeit des Reichs zum Erlass dieser Privatrechtsvor- 
schriften ergibt sich aus Art. 4 Ziff. 13 der Reichsverf. und zwar für das ganze 
Reichsgebiet mit Einschluss Bayerns; dagegen ist der Bundesrat weder durch 
eine Bestimmung der Reichsverf. noch durch das Handelsgesetzbuch ermäch- 
tigt worden, ein solches Privatrechtsgesetz ohne Mitwirkung des Reichstages 
zu erlassen. Dessenungeachtet hat der Bundesrat auf Grund des Art. 45 
1) Die neueste Liste der Eisenbahnstrecken, auf welche der Vertrag v. 14. Okt. 
1890 Anwendung findet, ist im RGBl. 1912 8. 233 ff. veröffentlicht. 
2) Vgl. Eger II. S. 258 ff. und die ausführliche Darstellung von Gerstn er, 
Internation. Eisenbahn-Frachtrecht. Berlin 1893. Ferner v. d. Leyen in der Zeit- 
schr. f. Handelsr. Bd. 39 S. 1ff. Eger, Das internationale Uebereinkommen über 
den Eisenbahnfrachtverkehr. Berlin 1894. Rosenthal, Internationales Eisen- 
bahnfrachtrecht. Jena 18394.
	        
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