Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

gs 28 Mass- und Gewichtswesen. 257 
  
deren Angaben auf den gesetzlichen Einheiten beruhen; wer sich dabei 
ordnungswidriger Messwerkzeuge bedient, wird mit der gleichen Strafe 
bedroht. 
2. DieEichung, das ist die amtliche Prüfung und Beglaubigung 
der Richtigkeit (Stempelung) der Masse, Gewichte und Wagen, wird aus- 
schliesslich durch Eichungsämter ausgeübt, deren Errichtung und Besetzung 
den Regierungen der Einzelstaaten zusteht. Den letzteren liegt es auch ob, 
die Tätigkeit der Eichungsämter zu beaufsichtigen, dieselben mit Instruk- 
tionen zu versehen, von ihnen Berichte zu erfordern und die Disziplin über 
die bei den Eichungsbehörden angestellten Beamten auszuüben !). Das 
Reich aber hat die Fürsorge für die gleichmässige Ausübung der Eichungs- 
geschäfte seitens der landesherrlichen Eichungsämter und die Oberaufsicht 
über dieselben. Zu diesem Zweck ist in Berlin eine ständige Behörde ein- 
gerichtet, welche den Namen Normal-Eichungskommission 
führt ?2). Ihr liegt es ob, nach beglaubigten Kopien des Urmasses und des 
Urgewichtes ?) die Normalmasse und Normalgewichte herzustellen und rich- 
tig zu erhalten und dieselben, sowie die von den einzelnen Eichungsämtern 
bei ihrem Geschäftsbetriebe zu verwendenden Eichungsnormale und Nor- 
malapparate an die Eichungsstellen der Bundesstaaten zu verabfolgen. 
Sie hat ferner die näheren Vorschriften über Material und Gestalt, Bezeich- 
nung und sonstige Beschaffenheit der Masse und Gewichte, sowie über die 
von seiten der Eichungsstellen innezuhaltenden Fehlergrenzen zu erlassen, 
sowie überhaupt alle die technische Seite des Eichungswesens betreffenden 
Gegenstände und das bei der Eichung und Stempelung zu beobachtende 
Verfahren zu regeln ?). Auch hat die Normal-Eichungskommission die Taxen 
für die von den Eichungsstellen zu erhebenden Gebühren festzusetzen. Die 
NEK. steht mit den oberen Eichungsbehörden der Staaten indirektem 
amtlichen Verkehr und sie ist befugt, dieselben mit Anweisungen zu versehen. 
In Bayern ist die Verwaltungskompetenz der NEKomm. vollständig 
ausgeschlossen ; Bayern hat vielmehr seine eigene NEK., welche für das Ge- 
biet des Königreichs diejenigen Befugnisse auszuüben hat, welche in dem 
übrigen Reichsgebiet der Reichsbehörde zustehen °®). Bayern ist aber ver- 
pflichtet, die Normale von der Reichsbehörde zu beziehen und die technischen 
Eichungs-Vorschriften in Uebereinstimmung mit den von der NEK. des Reichs 
getroffenen Anordnungen zu erlassen ®). 
Die übereinstimmende Normierung des Mass- und Gewichtssystems 
und des bei der Eichung und Stempelung zu beobachtenden Verfahrens 
für das ganze Reichsgebiet hat die Wirkung, dass die von einer Eichungsstelle 
1) M. u. Gew.O. 8$ 15—18. — 2) M. u. Gew.O. $ 19. 
3) „Als Urmass (Urgewicht) gilt derjenige von dem (internationalen) Prototyp des 
Meter abgeleitete Massstab (Gewichtsstück) aus Platin-Iridium, welcher durch die Inter- 
nationale Generalkonferenz für Mass und Gewicht dem Deutschen Reich als nationales 
Prototyp überwiesen worden ist. Derselbe wird von der Normal-Fichungskommission 
aufbewahrt.‘ RG. vom 26. April 1893 $$ 2 u.5. M. u. Gew.O. 8$ 1—5. 
4) M. und Gew.O. $ 19 Abs. 2 u. 3. 
5) RG. v. 22. Nov. 1871 $ 3 (RGBl. S. 379). 
6) M. u. Gew.O. $ 25. 
Laband, Reichsstaatsrecht. 6. Aufl. 17
	        
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