Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

260 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 29 
  
  
mit anderen Wertobjekten braucht er nur anzunehmen, wenn er will!). 
Die Regelung des Münssystems besteht darin, dass der Gesetzgeber erklärt, 
was in dem ihm unterworfenen Gebiete Geld sein soll, also in der Sank- 
tionierung von Rechtssätzen; denn die Eigenschaft einer Sache als 
Geld ist eine rein juristische und beruht ausschliesslich auf einer Rechts- 
regel. Die Reichverfassung Art. 4 Nr. 3 erklärt das Reich für zuständig 
„zur Ordnung des Münzsystems“. Von dieser Kompetenz hat das Reich 
den einschneidensten Gebrauch gemacht, indem es an der Spitze des Münz- 
gesetzes von 1873 den Grundsatz sanktioniert hat: ‚An die Stelle der in 
Deutschland geltenden Landeswährungen tritt die Reichswährung.“ Die 
Frage, was gesetzliches Zahlungsmittel sei, ist ausschliesslich nach dem Reichs- 
münzgesetz und den auf Grund desselben erlassenen Verordnungen zu beant- 
worten. Infolge der Beseitigung der Landeswährungen wurde es den Einzel- 
staaten untersagt, Münzen dieser Währungen noch ferner auszuprägen 2). 
Die Abschaffung der Landeswährungen machte es ferner notwendig, die 
vorhandenen Münzen derselben ausser Kurs zu setzen, d. h. ihnen die Geld- 
qualität zu entziehen. Die Befugnis zum Erlass der erforderlichen Vorschriften 
ist dem Bundesrat übertragen worden ?). Von der Ausserkurssetzung ver- 
schieden ist das Verbot des Umlaufes gewisser Münzen, d. h. das Verbot, 
sie in Zahlung zu geben; es entzieht ihnen nicht nur die rechtliche Eigen- 
schaft des Geldes, sondern es schliesst sie vom Verkehr aus. Auch der Erlass 
derartiger Vorschriften ist den Einzelstaaten entzogen und dem Bundes- 
rat übertragen *). Das gleiche gilt von den Anordnungen, zu welchem Werte 
fremde Münzen, deren Umlauf nicht verboten ist, bei öffentlichen Kassen 
im Bundesgebiet in Zahlung genommen werden dürfen. Endlich ergab sich 
aus der Beseitigung der Landeswährungen die Notwendigkeit zur Einlösung 
der in diesen Währungen ausgeprägten Münzen. Auch die hierfür erfor- 
derlichen Rechtsvorschriften wurden der Kompetenz der Einzelstaaten ent- 
zogen und vom Reiche erlassen °); zugleich wurde der für die Finanzwirt- 
schaft wichtige Grundsatz angenommen, dass die Einlösung aller Münzen 
deutschen Gepräges für Rechnung des Reiches erfolgt ®). Die Abwickelung 
des Einlösungsgeschäfts selbst dagegen ist den Einzelstaaten hinsichtlich 
der von ihnen geprägten oder in ihren Gebieten als gesetzliches Zahlungs- 
mittel anerkannten deutschen Münzen übertragen worden. 
  
1) Sein Wille kann aber durch einen von ihm geschlossenen Vertrag ge- 
bunden sein (sogen. Konventional-Geld) und der ausdrücklich erklärte Vertrag kann 
vertreten werden durch den Geschäftsgebrauch (sog. Usuelles Geld). Ueber die durch 
das Bankges. v. 1. Juni 1909 begründete gesetzl. Pflicht, Reichsbanknoten in Zahlung 
zu nehmen, siehe unten 8. 264. 
2) Ges. v. 4. Dez. 1571 $ 10. Münzges. v. 1873 Art. 11. 
3) Münzges. v. 1873 Art. 8; von 1909 $ 14 Ziff. 1. Durch das RG. v. 19. Mai 1908 
und das Münzges. v. 1909 $ 14 Ziff. 1 wurde der Bundesrat auch ermächtigt, Reichs- 
münzen ausser Kurs zu setzen. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesrat Gebrauch 
gemacht, indern er durch V. v. 27. Juni 1908 (RGBl. S. 464) die Fünfzigpfennigstücke 
älteren Gepräges ausser Kurs gesetzt hat. Vgl. die Bekanntmach. v. 18. Mai 1911 (RGBil. 
S. 250). 
4) Dasselbe gilt von der Zulassung frenider Scheidemünzen in gewissen Grenz- 
gebieten. Münzges. $ 14 Ziff. 3 u. 4. 
5) Münzges. v. 1875 Art. 8. 
6) Ges. v. 4. Dez. 1571 $ 11. Münzges. v. 1873 Art. 7.
	        
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