2 Staatenbund und Bundesstaat. 19
Aufgaben, zur Durchführung ihr e s Willens bedient, sondern als selbständige
Rechtssubjekte mit eigener Rechtssphäre, mit eigener Willens- und Hand-
lungsfreiheit. Das Wesen der Herrschaft aber besteht in dem Recht,
freien Personen (und Vereinigungen von solchen) Handlungen, Unter-
lassungen und Leistungen zu befehlen und sie zur Befolgung derselben
zu zwingen. Das Privatrecht kennt freien Personen gegenüber nur For-
derungen, welche kein Zwangsrecht gegen den Schuldner enthalten und die
nicht die Rechtsmacht in sich schliessen, ihm etwas zu befeblen; in obliga-
torischen Verhältnissen sind Gläubiger und Schuldner einander gleich geord-
net; der Gläubiger hat keine Macht über den Schuldner. Das Wesen des
Hoheitsrechts dagegen besteht in der rechtlichen Macht der Obrig-
keit über den Untertan, in der rechtlich anerkannten Gewalt über ihn, kraft
deren derselbe gezwungen wird, dem an ihn ergangenen Befehl zu ge-
horchen. Herrschaft in diesem Sinne ist im heutigen Recht das spezifische
Vorrecht des Staates, das er mit niemandem teilt. Sein Wille allein hat die
Kraft, den Willen der Individuen zu brechen, über Vermögen, natürliche Frei-
heit und Leben derselben zu verfügen. Weder die Gemeinde noch irgend ein
anderer gemeindeähnlicher Verband hat dieses Recht als ein eigenes, auf sich
selbst beruhendes und nach freiem Willen auszuübendes. Eine Gemeinde mag
befugt sein, Verordnungen zu erlassen; Erzwingbarkeit erhalten dieselben
immer nur durch das Gebot des Staates. Gemeinden können auf einem
grossen Gebiet des politischen Lebens ein eigenes Recht zur Verwaltung, zur
autonomischen Festsetzung von Statut« a, ja selbst zur Rechtsprechung haben ;
sobald es aber darauf ankommt, ihren Befehlen Gehorsam zu verschaffen,
muss entweder die zuständige Behörde des Staates darum angegangen werden
oder dem Kommunalverbande muss vom Staate die Handhabung seiner
Herrschermacht für gewisse Anwendungsfälle übertragen sein !). Wenn die
Gemeinde befugt ist, mit Rechtskraft (Erzwingbarkeit) zu befehlen und ihre
Befehle nötigenfalls mit Gewalt durchzuführen, so handelt sie im Namen und
Auftrag des Staates, in Stellvertretung oder kraft Delegation; es ist nicht
ihre Macht, sondern die des Staates, welche sie in Bewegung setzt; es ist
nicht ihr eigenes Recht, sondern ein fremdes, welches sie geltend macht. Die
Gemeindehat keine Untertanen;sieist bei Ausübung ihrer Rechte ebenso
machtlos, wie der Gläubiger seinem Schuldner gegenüber; Vollstreckungsge-
walt findet sie einzig und allein beim Staate. Der kleinste und unbedeutendste
Staat hat diese Rechtsmacht so gut wieder grösste; der Gemeindeverband hat sie
nicht, mag er auch an Grösse und Ausdehnung für sich allein bedeutender sein
als ein Dutzend von Staaten zusammengenommen. Dies ist demnach der feste
1) Viele Schriftsteller schreiben der Gemeinde eigene Herrschaftsrechte und eine
eigene Zwangsgewalt zu und berufen sich darauf, dass viele Gemeinden älter sind, als
die jetzt bestehenden Staaten. Dies ist eine historische Betrachtung, aber keine juri-
stische. Rechtlich bestehen alle Gemeinden nur durch den Willen des Staates. Der
Staat gibt ihnen durch die Gemeindeordnung die rechtliche Existenz, die Verfassung,
die Zuständigkeit, die Rechte und Pflichten und er kann einseitig alles dies durch eine
Abänderung der Gemeindeordnung umgestalten; der Staat kann neue Gemeinden bil-
den, bestehende teilen, zusammenlegen, vernichten. Die Gemeinden haben keine öffent-
lichen Rechte als die ihnen vom Staat verliehenen. .
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