Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

8 29 Das Geld- und Bankwesen. IV. 1. Die Reichsbank. 9055 
  
  
  
des Reichsgesetzes vom 14. März 1875 ist unter dem Namen ,„Reichsbank“ 
eine Bank mit dem Hauptsitz in Berlin errichtet worden, welche unter der 
Aufsicht und Leitung des Reiches steht und durch Organe des Reiches ver- 
waltet wird, welche aber eine vom Reichsfiskus verschiedene, selbständige 
juristische Person des Privatrechts bildet!). Der Reichsfiskus ist an der- 
selben nur als das geschäftsführende Mitglied beteiligt; das Vermögen der 
Reichsbank ist nicht Reichsvermögen und die Geschäfte der Reichsbank 
sind in allen privatrechtlichen Beziehungen als Geschäfte einer Privatperson 
anzusehen, mit welcher der Reichsfiskus in alle denkbaren vermögensrecht- 
lichen Verhältnisse treten kann. Die dem Reiche zustehende Verwaltung 
der Reichsbank ist nicht Verwaltung e’gener, sondern Verwaltung fremder 
Geschäfte und von der Finanzverwaltung des Reichs wesentlich verschieden 
und tatsächlich von ihr getrennt. Diese Verwaltung fremder Geschäfte ge- 
schieht aber zugleich im eigenen Interesse des Reichs, da der Reichsfiskus 
an den Ergebnissen derselben mit einer bedeutenden Quote beteiligt ist. 
Die Reichsbank entspricht dem Begriff des Aktienvereins. Denn 
sie hat ein Grundkapital von 180 Millionen Mark, welches in 40 000 auf Na- 
men lautende Anteile von je 3000 Mark und 60 000 Anteile von je 1000 
Mark geteilt ist; die Anteilseigner sind von der persönlichen Haftung für die 
Verbindlichkeiten der Reichsbank frei; sie haben einen Anspruch auf eine 
Dividende aus dem sich ergebenden Reingewinn; sie sind befugt, an der 
Verwaltung durch die General-Versammlung und den Zentralausschuss 
sich zu beteiligen; sie erhalten bei der Auflösung des Vereins das Vermögen 
desselben, wenigstens zum grössten Teile. Die Reichsbank hat eine Firma, 
unter welcher sie Geschäfte schliessen, selbständig Rechte und Pflichten 
haben, vor Gericht klagen und verklagt werden kann. Alles, was für den 
Aktienverein wesentlich ist, findet sich demnach auch in der Reichs- 
bank wieder und ihre durch Gesetz und Statut bestimmte Verfassung hat 
dieselben Grundformen, welche den Aktienvereinen mit Namensaktien eigen- 
tümlich sind. Dessenungeachtet sind die Vorschriften des Handelsgesetz- 
buchs auf die Reichsbank unanwendbar und durch die ausschliessenden 
Bestimmungen des Bankgesetzes und des Statuts der Reichsbank ersetzt und 
zwar deshalb, weil das Reich sich bei der Reichsbank eine Stellung zuge- 
wiesen hat, welche bei den nach den Vorschriften des HGB.s konstituierten 
Aktienvereinen unmöglich ist. Diese Beteiligung des Reiches begründet nach 
allen Richtungen hin für die Reichsbank Abweichungen von dem gemeinen 
für Aktienvereine geltenden Rechte und macht die Reichsbank zu einer 
anomalen Rechtsschöpfung, die zwar dem allgemeinen Begriffe der Aktien- 
Dochow, Verwaltungsrecht $ 121ff. R. Beutler, Die Reichsbank. Berl. u. 
Leipz. 1909 (den jurist. Ausführungen des Verf. kann meistens nicht beigestimmt wer- 
den. Lehmann, Lehrb. des Handelsr. 1908 $ 177 (S. T5lL ff... Koch, Die Reichs- 
gesetzgebung über Münz- u. Notenbankwesen. 1910. Das Hauptwerk, welches an 
Vollständigkeit und Gründlichkeit alle anderen Darstellungen übertrifft, ist J. Breit, 
Bankgesetz. Berlin 1911. 
1) Bankges. $ 12. 26ff. Hänel IS. 6837 bezeichnet sie als „reichsunmittelbare 
Korporation‘‘; eine juristische Charakteristik wird damit nicht gegeben.
	        
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