Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

278 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltunge. s$ 31 
$ 31. Die Gewerbepolizei!),. I. Die Zuständigkeit des Rei- 
chesundderEinzelstaaten. Die RV. Art. 4 Ziff. 1 hat der Ge- 
setzgebung und Beaufsichtigung des Reichs zugewiesen ‚die Bestimmungen 
über den Gewerbebetrieb einschliesslich des Versicherungswesens“. An der 
Spitze der Reichsgewerbe-Ordnung steht der Grundsatz: 
‚Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch 
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zuge- 
lassen sind“. 
Hierdurch sind nicht nur alle landesgesetzlichen Beschränkungen der 
Gewerbefreiheit aufgehoben, sondern es ist auch den Einzelstaaten die Be- 
fugnis entzogen, solche Beschränkungen einzuführen, wofern nicht die GO. 
selbst auf die Landesgesetze verweist. Dieser Grundsatz bezieht sich aber nur 
auf Beschränkungen der Gewerbefreiheit als solcher, d. h. auf diejenigen 
Rechtsvorschriften, welche den Betrieb eines Gewerbes zur Voraussetzung 
haben, nicht auf Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit, welche 
auch für solche Personen gelten, die kein Gewerbe betreiben. Dahin gehören 
insbesondere die Bauordnungen, die feuer-, wasser-, gesundheits- und sitten- 
polizeilichen Vorschriften usw. 2). Die GO. hat ferner nichts geändert an 
1) Gewerbe-Ordnung v. 21. Juni 1869 (BGBl. S. 245). Sie ist in den süd- 
deutschen Staaten eingeführt worden; in Elsass-Lothringen erst durch das RG. v. 
27. Febr. 1888 (RGBl. S. 57). Die GewO. ist durch sehr zahlreiche Novellen abgeändert 
worden und diese Gesetzgebung ist noch sehr im Fluss. Dieneueste Redaktion 
der GewO. hat der Reichskanzler unter Berücksichtigung dieses umfangreichen Ma- 
terials auf Grund der im Ges. vom 30. Juni 1900 Art. 17 erteilten Ermächtigung ver- 
anstaltet und im RGBl. 1900 S. 871—979 veröffentlicht. Von den späteren Abände- 
rungen sind zu erwähnen die Gesetze v. 14. Okt. 1905 (RGBl. S. 759); v. 7. Januar 
1907 (RGBl. S. 3), v. 30. Mai 1908 (RGBil. S. 356), v. 28. Dez. 1908 (RGBl. S. 667) u. 
v. 27. Dez. 10911 (RGBil. 1912 S. 139). Literatur: Die Bearbeitungen der GewO. 
sind überaus zahlreich; infolge der Novellengesetzgebung aber meistens schnell veraltet. 
Für den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung sind besonders hervorzuheben Marci- 
nowski, Die deutsche GO. für die Praxis in der preuss. Monarchie. 6. Aufl. Berl. 
1896. 18988. v. Landmann, Die GO. 6 Aufl. 2 Bde. München 1911 (teilweise 
bearbeitet von G. Rohmer); v. Rohrscheidt, GewO. f. d.D.R. 2. Aufl. 
1. Bd. Berlin 1912. F. Hoffmann, 5. Aufl. Berl. 1906; Berger-Wilhelmi, 
(17. Aufl.) Berl. 1907. v. Schicker (4. Aufl., Stuttg. 1898. Schenkel, 2 Bde. 
(2. Aufl.) Karlsr. 1893 fg. für Baden. Reger, 4. Aufl. (hrsg. v. Stöhsel) 2 Bde. 
Ansbach 1905/7 für Bayern. Brenner, 2 Bde. Stuttg. 1907 für Württemberg; Nel- 
ken, GewO. 2 Bde. (Els.-Lothr.) Zabern 1909/10. v. Rohrscheidt, Gewerbear- 
chiv f. d. D. Reich. 6. Bd. 1907, enthält die Novellen, Ausführungsbestimmungen, 
Entscheidungen usw. Für die theoretischen Fragen ist namentlich zu beachten M. 
Kulisch, System des österr. Gewerberechts. Bd. I. Innsbruck 1905. 
2) Aus diesem Grunde bleiben hier auch zahlreiche Reichsgesetze unberücksich- 
tigt, welche zwar in denGewerbebetrieb tief eingreifen und auf Gewerbetreibende haupt- 
sächlich Anwendung finden, einen Gewerbebetrieb aber nicht notwendig voraussetzen 
oder wenigstens andere Zwecke wie die polizeil. Regelung des Gewerbewesens 
verfolgen. Dahin gehören ausser zahlreichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches und 
der Steuer- und Zollgesetze namentlich die Gesetze über den Verkehr mit 
Nahrungs-, Gebrauchs- und Genussmittelnv. 14. Mai 1879 (RGBi. 
S. 145) u. 29. Juni 1887 (RGBl. S. 276), die Verordn. betr. den Verkehr mit Arzneimitteln 
v. 31. März 1911 (RGBl. S. 181), die Reichsgesetze betreffend den Verkehr mit blei- 
und zinkhaltigen Gegenständen v. 25. Juni 1887, betreffend die Verwendung gesund- 
heitsschädlicher Farben v. 5. Juli 1887, betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln 
für Butter v. 12. Juli 1887 (RGBl. 8. 273. 277. 375), das Weingesetzv.7. April 1909 
(RGBl. S. 393), das Verbot von Maschinen zur Herstellung künstl. Kaffeebohnen (RGBi. 
1891 S.11)das Ges. gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. Juni 1909 (RGBi. 
S.499)u.a. Auch das Ges. v.9. Juni 1884 (RGBl. S.61) gegen den verbrecherischen und 
gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen, das RG. betreffend die Sicherung der 
Bauforderungen v. 1. Juni 1909 (RGBl. S. 449), das sonderbare RG. über den Absatz
	        
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