I86 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. s 31
Das Verbot der Sonntagsarbeit ist aber weit über die Sphäre des Ar-
beiterverhältnisses ausgedehnt worden. Soweit nämlich Gehilfen, Lehrlinge
und Arbeiter im Handelsgewerbe an Sonn- und Festtagen nicht be-
schäftigt werden dürfen, darf in offenen Verkaufsstellen ein Gewerbebetrieb
an diesen Tagen überhaupt nicht stattfinden, auch nicht seitens des Unter-
nehmers selbst und seiner Familiengenossen ($ 41 a). Noch weitergehende
landesgesetzl. Beschränkungen des Gewerbebetriebes an Sonn- und Festtagen
sind dadurch nicht ausgeschlossen. Der Gewerbebetrieb im Umherziehen und
das sogen. Hausieren ist an Sonn- und Festtagen untersagt ($ 55 a) !).
2, Ladenschluss. Von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens
müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschlossen
sein. Ausnahmen dürfen gestattet werden in Notfällen, ferner an höchstens
40 Tagen im Jahr bis spätestens zehn Uhr abends und endlich nach Bestim-
mung der höheren Verwaltungsbehörde in kleinen Städten unter 2000 Ein-
wohnern und in ländlichen Gemeinden. Während der Zeit, in welcher die
Verkaufsstellen geschlossen sein müssen, ist der Gewerbebetrieb im Umher-
ziehen und der Hausierhandel verboten ($ 139 e). Das Verfahren bei Anträgen
auf Verlängerung der Ladenschlusszeit hat der Bundesrat geregelt durch V.
vom 25. Januar 1902 (RGBl. S. 38).
3. Minderjährige Personen dürfen nur beschäfsigt werden, wenn
sie mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Dasselbe wird von der Polizei-
behörde ausgestellt ($ 107—114).
4. Arbeiter unter 18 Jahren dürfen nur in der Art beschäf-
tigt werden, wie es die durch das Alter derselben gebotene Rücksicht auf
Gesundheit und Sittlichkeit gestattet ($ 120c). Es ist ihnen ferner die Zeit
zum Besuche einer Fortbildungsschule zu gewähren ?2). Gewerbetreibende,
welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, dürfen, solange ihnen
diese Rechte entzogen bleiben, mit der Anleitung von Arbeitern unter 18
Jahren sich nicht befassen, also namentlich keine Lehrlinge annehmen ($ 106).
Jugendliche Arbeiter zwischen 14 und 16 Jahren dürfen nicht länger als
10 Stunden täglich beschäftigt werden. ($ 135 Abs. 3).
5. Kinder,d.h. Knaben und Mädchen unter 13 Jahren, sowie solche
Knaben und Mädchen über 13 Jahren, welche noch zum Besuche der Volks-
schule verpflichtet sind, dürfen in Gewerbebetrieben nicht beschäftigt wer-
den. Für die Beschäftigung eigener Kinder sind gewisse Ausnahmen zuge-
lassen. Soweit die Beschäftigung von Kindern im Gewerbebetrieb gestattet
ist, unterliegt sie eingreifenden Beschränkungen hinsichtlich der Zeit und
der Dauer der Beschäftigung. Kinder unter 14 Jahren dürfen nicht länger
als 6 Stunden täglich beschäftigt werden. Die Beschäftigung eines Kindes
ist nicht gestattet, wenn dem Arbeitsgeber nicht zuvor von der Ortspolizei-
—
1) Ausnahnmien von dem Verbot der Sonntagsarbeit hat der Bundesrat in der Ver-
ordn. v. 5. Febr. 1895 zugelassen (RGBl. 8. 12 ff.). Vgl. ferner RGBl. 1896 S. 104. 177
191, 744: 1897 8. 773; 1901 8. 117. 1902 S. 67, 171. 1906 8. 475.
2) GO. $ 120. Der Fortbildungsunterricht darf nicht Sonntags mit dem Haupt-
gottesdienst kollidieren. Der Besuch einer Fortbildungsschule kann durch Landesgesetz
oder Ortsstatut obligatorisch gemacht werden. Ergänzende Bestimmungen enthält
die Nov. v. 27. Dez. 1911 (RGBI. 1912 S. 141).