$ 35 Die Medizinal- und Veterinärpolizei. 2095
ist, und die Erfüllung des Impfzwanges zu kontrollieren und zu erzwingen.
2. Die internationale Uebereinkunft, betreffend Massregeln gegen die
Cholera, vom 15. April 1893 (RGBl. 1894 S. 343 ff.), de Sanitäts-
konvention vom 3. April 1894 nebst Zusatzerklärung vom 30. Okt.
1897 (RGBl. S. 973 ff.), betreffend die ärztliche Revision und Desinfektion
der aus dem Indischen Ozean und Ozeanien kommenden Pilgerschiffe und der
auf denselben befindlichen Personen und Gegenstände; die Uebereinkunft
vom 19. März 1897 (RGBl. 1900 S. 43 ff.), betreffend Massregeln gegen die
Einschleppung und Verbreitung der Pest und namentlich die interna-
tionale Uebereinkunft betreffend Massregeln gegen Pest, Cho-
lera und Gelbfieber vom 3. Dezember 1903 (RGBl. 1907 S. 425). Die Ver-
wirklichung und Ueberwachung der in diesen Verträgen hinsichtlich der
Pilgerfahrten vereinbarten Massnahmen ist einem internationalen Komitee
übertragen, welches aus dem Schosse des obersten Gesundheits-
rates in Konstantinopel gebildet wird.
3. Das Reichsgesetz vom 30.Juni 1900, betreffend die Be-
kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten (RGBl.S. 306)
und die Ausführungsbestimmungen dazu vom 6. Oktober 1900 (daselbst
S. 849 ff.) !). Das Gesetz bezieht sich auf Aussatz, asiatische Cholera, Fleck-
typhus, Gelbfieber, Pest und Pocken; lässt aber die landesrechtlichen Vor-
schriften über die Bekämpfung anderer übertragbarer Krankheiten unbe-
rührt. Es begründet eine Anzeigepflicht für jede Erkrankung und jeden
Todesfall an diesen Krankheiten sowie für jeden Fall, welcher den Verdacht
einer dieser Krankheiten erweckt. Die Polizeibehörde hat nach erhaltener
Anzeige die erforderlichen Ermittelungen vorzunehnien; sie kann anordnen,
dass in den von der Krankheit befallenen oder bedrohten Orten jede Leiche
vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung (Leichenschau) zu unter-
werfen ist, und kann Schutzmassregeln vorschreiben (Ges. $ 11—21). Die Aus-
führungsbestimmungen, insbesondere über die Desinfektion, sind vom Bun-
desrat zu erlassen ?2) ($ 22). Der Reichskanzler ist befugt, Vorschriften zur
Verhütung der Einschleppung der erwähnten Krankheiten anzuordnen
($ 24, 25) ®). Für die durch die Schutzmassregeln entstehenden Beschädigun-
gen wird dem Beschädigten aus öffentlichen Mitteln Ersatz gewährt, soweit
ihm nicht eine Verletzung der Schutzvorschriften zur Last fällt ($ 28 ff.). Die
Ausführung des Gesetzes, die Anordnung und Leitung der Abwehr- und Un-
terdrückungsmassregeln liegt den Behörden der Einzelstaaten ob, welche
verpflichtet sind, sich hierbei zu unterstützen ?); der Reichskanzler hat die
Ausführung des Gesetzes zu überwachen. Wenn Massregeln erforderlich
1) Eine Abänderung ist erfolgt durch Beschluss v. 21. März 1907 (RGBi. 8. 91).
2) Diese sehr ausführlichen Bestimmungen sind mittelst Bekanntm. v. 11. April
1907 im RGBl. S. 95 verkündigt. Ferner hat der Bundesr. Vorschriften über das Ar-
beiten und den Verkehr mit Krankheitserregern (ausgenommen Pesterregern) beschlossen.
Bekanntm. v. 4. Mai 1904 (RGBl. S. 159).
3) Insbesondere Einfuhr- und Durchfuhrverbote; vgl. RGBl. 1901 S. 11. 281. 487.
4) Militär- u. Polizeibehörden sind verpflichtet, sich gegenseitig über das Auftre-
ten übertragbarer Krankheiten zu benachrichtigen. Verordn. des Bundesr. v. 22. Juli
1902 (RGBlI. S. 257) u. v. 23. Febr. 1911 (RGBl. S. 63).