354 Achter Abschnitt: Das Gerichtswesen.
$39
Instanz erkannt hat; in Strafsachen, in welchen der Konsul oder das Kon-
sulargericht oder ein Schutzgebietsgericht oder ein Prisengericht in erster In-
stanz erkannt hat; in Disziplinarsachen der Reichsbeamten und in Strafsa-
chen, in welchen ein elsass-lothringisches Gericht in erster Instanz erkannt
hat. — Ein konkurrierendes Begnadigungsrecht des Kaisers und der Landes-
herren besteht inkeinem Falle; wo der Kaiser das Gnadenrecht hat, ist es
den Einzelstaaten entzogen.
3. Das Begnadigungsrecht der Einzelstaaten be-
steht in allen anderen als den vorstehend aufgeführten Strafsachen, auch
bei Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze des Reichs, nach
Massgabe der Landesgesetze. Die bundesstaatliche Zusammenfassung der
deutschen Staaten behufs Ausübung der Strafrechtspflege, wie sie durch das
Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozessordnung erfolgt ist, ergreift
aber auch das Begnadigungsrecht; denn wenn nicht zwischen der Vollstreck-
barkeit der Urteile und der Wirksamkeit der Begnadigung Kongruenz be-
stände, so würden die Rechte der Strafgewalt und der Begnadigung mit ein-
ander in Widerspruch treten!). Hieraus folgen zwei Grundsätze:
&) In jeder Strafsache kann immer nur ein deutscher Staat begnadi-
gungsberechtigt sein, und zwar ist es immer derjenige, dessen Gericht in erster
Instanz in der Sache das Urteil gesprochen hat ?).
b) Der Begnadigungsakt des zuständigen Staates erstreckt seine Wirk-
samkeit über das ganze Reichsgebiet.
1) Wenigstens für das Reichsgebiet mit Ausnahme des begnadigenden Staates.
2) In den Verträgen der deutschen Staaten über die Errichtung gemeinsamer
Gerichte erster Instanz ist dieser Grundsatz durch die Bestimmung ergänzt worden,
dass den beteiligten Landesherren das Begnadigungsrecht ‚in den aus ihren Gebieten
erwachsdenen‘‘ Strafsachen verbleibt.