Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

358 Neunter Abschnitt: Die bewaffnete Macht des Reiches. Ss 10 
  
Unigestaltung der bayerischen Heereseinrichtungen nach preussischen Vor- 
bilde seine praktische Bedeutung fast vollständig eingebüsst !). 
Das Verordnungsrecht steht im allgemeinen gemäss Art. 7 
Ziff. 2 der RV. dem Bundesrat zu, soweit es sich um Ausführung der Reichs- 
gesetze handelt. In den letzteren ist aber gewöhnlich von dem im Art. 7 
Ziff. 2 gemachten Vorbehalte Gebrauch gemacht und der Erlass der Aus- 
führungs-Verordnungen dem Kaiser und für Bayern dem Könige von Bayern 
übertragen worden. Hinsichtlich der durch Reichsgesetze nicht geregelten 
Materien steht das Verordnungsrecht formell den Kontingentsherren zu; die- 
selben sind aber verpflichtet, davon in der Art Gebrauch zu machen, dass sie 
die für die ‚„preussische Armee‘ ergehenden Anordnungen für ihre Kontin- 
gente ebenfails erlassen. RV. Art. 63 Abs. 5 ?). 
Für die Marine ist es selbstverständlich, dass alle Anordnungen, 
welche weder in den Bereich der Gesetzgebung noch unter die Kompetenz 
des Bundesrates fallen, vom Kaiser, beziehentl. von den kaiserlichen Marine- 
behörden, zu erlassen sind. 
III. Die Reichsverfassung legt dem Kaiser den Oberbefehl über 
sämtliche Kontingente im Kriege und im Frieden bei. Die Rechte unid 
Pflichten, welche nach der RV. und den auf Grund derselben ergangenen 
Reichsgesetzen den Inhalt des kaiserlichen Oberbefehls bilden, sind 
folgende: 
1. Alle deutschen Truppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers 
unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzu- 
nehmen. RV. Art. 64 Abs. 1°). 
En a u —— 
1) Einheitliches Recht ist geschaffen hinsichtlich der Wehrpflicht, der Or- 
ganisation des Heeres und der Rechtsverhältnisse der Militärpersonen durch das Wehr- 
gesetz v. 9. Nov. 1867, mit den Novellen v. 11. Febr. 1888, v. 8. Febr. 1890 u. 15. April 
1905; das Militärges. v. 2. Mai 1874 (abgeändert durch die Reichsgesetze v. 6. Mai 
1880, 31. März 1885, 11. März 1887, 27. Januar 1890, 26. Mai 1893, 25. März 1899, sowie 
in zinzelnen Punkten durch das bürgerl. GB.); das Ges. über die freiw. Gerichtsbarkeit 
in Heer und Marine v. 28. Mai 1901 u. V. v. 20. Febr. 1906 (RGBi. 8. 359), das Land- 
sturmges. v. 12. Febr. 1875, an dessen Stelle das Reichsges. v. 11. Febr. 1888 $ 23 
bis 34 getreten ist; das Kontrollgesetz v. 15. Febr. 1875; hinsichtlich der Pen- 
sionierung der Militärpersonen durch das Pensionsges. v. 27. Juni 1871 und die hierzu 
ergangenen Novellen, an deren Stelle jetzt die Pensionsgesetze v. 31. Mai 1906 
getreten sind; hinsichtlich des Diensteinkommens durch das Besoldungsgesetz 
v. 15. Juli 1909 und das Unfallfürsorgegss. f. d. Soldatenstand v. 18. Juni 1901; hin- 
sichtlich des Strafrechts durch das Militärstrafgesetzb. v. 20. Juni 1872 
und hinsichtlich des Strafverfahrens durch die Militärstrafgerichtsord- 
nung v. 1. Dezember 1898; hinsichtlich der Militärlasten durch das Quartier- 
leistungsges. v. 25. Juni 1868, das Naturalleistungsges. v. 13. Febr. 
1875 (nebst den Novellen vom 21. Juni 1887 u. 24. Mai 1898, sowie die Gesetze vom 
26. Juli 1897 und vom 10. Mai 1892), das Kriegsleistungsges. v. 13. Juni 
1873 u. das Reichsges. v. 28. Febr. 1888, das Festungsrayongesetz v. 21. 
Dez. 1871 und das Kriegshafengesetz v. 19. Juni 1883. 
2) Vgl. Staatsrecht d. D. R. Bd. IV 8. 17 ££f. 
3) Die Armeebefehle sind zu unterscheiden von Armeeverordnungen; die 
ersteren beruhen auf der Kommandogewalt und bedürfen keiner Kontrasignatur; die 
letzteren beruhen auf der Regisrungsgewalt und müssen gegengezeichnet werden. Für 
die Abgrenzung beider ist die Tebung entscheidend, welche an den preuss. Erl. v. 18. 
Januar 1861 anknüpft. Vgl. Staatsr. d. D. R. IV S. 33 ff. und jetzt namentlich die 
S. 355 zitierte Monographie von Marschallv. Bieberstein, welche über diese 
Frage neues Licht verbreitet. Die gebotene Kürze dieser Darstellung gestattet nicht, 
hier näher auf seine Ausführungen einzugehen.
	        
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