$ 40 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen. 3063
beruhenden (territorialen) und die auf der persönlichen Herrschaft über die
Staatsangehörigen beruhenden Rechte !!).
1. DeKontingentsherrlichkeit?). Jeder Staat des Deutschen
Reiches hat nach Art. 66 der RV. ‚seine eigenen Truppen“ ; ebenso sprechen
die Militärkonventionen vonLandestruppen. Die Truppenkörper sind
daher nach der Reichsverfassung Anstalten der Einzelstaaten, deren
Einrichtung und Beherrschung aber nicht in dem freien Belieben der einzelnen
Staaten steht, sondern in allen Beziehungen durch die Reichsgesetzgebung
geregelt ist. Aus diesem Prinzip ergeben sich folgende Rechte:
a) De KommandogewaltderLandesherren. Sie hat im
Art. 66 der RV. ausdrückliche Anerkennung gefunden, indem die Bundes-
fürsten und Senate das Recht haben, die Offiziere ihrer Kontingente zu er-
nennen. Indem der Landesherr einen Offizier ernennt, überträgt er ihm die
seiner Stellung entsprechende Kommandogewalt; er übt dadurch die letztere
aus. Die Ernennung der Offiziere vollzieht der Landesherr nicht im Namen
und in Vertretung des Kaisers; die Offiziere leiten ihre militärische Gewalt
nicht vom Kaiser, sondern vom Landesherrn ab °). Die Konmmandoge-
walt der Landesherren ist aber dadurch beschränkt, dass alle Truppen den
Ober befehl des Kaisers unterstellt und die einzelnen Kontingente zu tak-
tischen Verbänden vereinigt sind. Die Offiziere der deutschen Kontingente
stehen auch in einem Dienstverhältnis nur zu demjenigen Landes-
herrn, von welchem sie angestellt sind; es gibt keine ‚kaiserlichen‘, sondern
nur preussische, sächsische, württembergische und bayerische Offiziere. Der
Fahneneid wird seitens der Offiziere dem Kontingentsherrn geleistet und in
diesem Eide wird dem Kontingentsherrn das Versprechen gegeben,
ih m treu zu dienen und dem Kaiser Gehorsam zu leisten; in Bayern unter
Beschränkung auf den Fall des Krieges. Kraft der Dienstgewalt haben die
Kontingentsherren das Recht zur dienstlichen Verwendung; ausgenomnien
sind jedoch diejenigen Befehlshaberstellen, welche nach Art. 64 Abs. 2 vom
Kaiser zu besetzen sind; für diese Stellen ist der Kaiser berechtigt, Offiziere
aller Kontingente zu wählen (Art. 64 Abs. 3)*). Aber auch diese Offiziere
gehören einem bestimmten Kontingent an und sind keine ‚kaiserliche‘“ Offi-
ziere, die es im Heere überhaupt nicht gibt, sondern preussische, sächsische
oder württembergische 5). Hinsichtlich der Uniform sind zwar die Grundfar-
ben und der Schnitt der preussischen Armee auch für die anderen Kontingente
1) Dass die überwiegende Mehrzahl der deutschen Staaten diese Rechte durch
Militärkonventionen dem Könige von Preussen zur Ausübung übertragen hat, ist bereits
erwähnt worden.
2) Burhenne, Die Kontingentsherrlichkeit der d. Landesherren. Beıl. 1908.
Gordanin Hirths Annalen 1908 8. 48] £f.
3) Soweit die Landesherren durch Konventionen auf die Ausübung dieses Rechts
verzichtet haben, übt es der KönigvonPreussen (nicht der Kaiser kraft kaiser-
licher Machtbefugnis) aus. Auch im preussischen Kontingent werden die Offiziere nicht
vom Kaiser, sondern vom König von Preussen ernannt. Eine Kommandogewalt haben
also tatsächlich die vier Könige. Dieselbe zu bestreiten, wie dies neuerdings z. B. wieder
Müller tut, beweist eine doktrinäre Verkennung des wirklich bestehenden Rechts-
zustandes. Zutreffend sind die Ausführungen von Gordan ae. a. O. 8. 486 fg.
4) Ueber die Beschränkungen dieses Rechts vgl. Staatsr. des D. R. IV S. 60.
5) Siehe Guderian, im Arch. f. öff. R. Bd. 19 8. 504.