364 Neunter Abschnitt: Die bewaffnete Macht des Reiches. $ 40
massgebend; innerhalb dieser Schranken hat aber der Kontingentsherr die
äusseren Abzeichen zu bestimmen !).
b) DieMilitärgerichtsbarkeit?) steht den Kontingentsherren
rücksichtlich ihrer Truppenteile zu und ist durch die Militärkonventionen in
den der preussischen Armee angeschlossenen Kontingenten dem Könige von
Preussen zur Ausübung übertragen. Die Militärgerichte sind Gerichte des
Kontingentsherrn ?); die Militärjustizverwaltung wird von den vier Kriegs-
ministerien geführt *). Nur für die Revisionsinstanz ist das Reichsmilitär-
gericht errichtet und dadurch die Militärgerichtsverfassung mit der Ordnung
der bürgerlichen Gerichte in Uebereinstimmung gebracht worden. Auch die
Disziplinargewalt und Disziplinargerichtsbarkeit steht den Kontingents-
herren hinsichtlich ihrer Truppen zu.
Der Gerichtsbarkeit entspricht das Begnadigungsrecht°); das-
selbe steht daher demjenigen Kontingentsherrn zu, dessen Militärgericht das
Strafurteil gefällt hat; jedoch haben die Militärkonventionen eine gewisse Be-
rücksichtigung des Untertanenverhältnisses ausbedungen.
c) Die Militärverwaltung ist Kontingentsverwaltung; es gibt
keine Reichs-Militärverwaltung ®°). Die vier Kriegsminister sind Landesbeamte
und als solche weder dem Kaiser noch dem Reichstage verantwortlich, sondern
ihrem Landesherrn und dem Landtage. Auch die Militärbeamten sind Landes-
beamte (siehe oben S. 101). Dem Reiche steht nach Art.4 der RV. die Be-
aufsichtigung des Militärwesens aller Bundesstaaten zu; die Ausübung
dieser Tätigkeit liegt dem Reichskanzler ob; für dieselbe kann ein Spezial-
stellvertreter nicht ernannt werden, da sich das Militärwesen nicht in der
eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs befindet. Für die Her-
stellung übereinstimmender Verwaltungsnornen und zur Ausgleichung her-
vorgetretener Verschiedenheiten sowie zur Beseitigung aller Mängel be-
steht beim Bundesrat der Ausschuss für das Landheer und die Festungen,
in welchem alle vier Staaten mit eigener Kontingentsverwaltung vertreten
sind (RV. Art. 8).
2. TerritorialeHoheitsrechte. Dieselben stehen auch den-
jenigen Landesherren zu, welche die Rechte der Kontingentsherrlichkeit
dem König von Preussen zur Ausübung übertragen haben, und es macht kei-
nen Unterschied, welchem Kontingent die im Staatsgebiet befindlichen Trup-
pen angehören.
&) Landesherrlich Ehrenrechte. Den Bundesfürsten und den
Mitgliedern ihrer Familien sind diejenigen militärischen Ehrenbezeugungen
zu erweisen, welche nach den bestehenden Dienstvorschriften dem Landes-
herrn und seinen Angehörigen zukommen. Die Landesherren stehen in dem
l) Das Nähere siehe Staatsı. a. a. OÖ. S. 61.
2) Vgl. Guderiana. a. O. 8. 476 ff. (1905).
3) MilitärstrafgerOrdn. $ 93. - -- 4) Daselbst $ 111.
5) Ueher das Verhältnis des Begnadigungsrechts zur Bestätigung, beziehungsw.
Milderung, der militärgerichtl. Urteile, vgl. die ausgezeichnete Darstellung von G u-
derian a a. O. 8. 524 ff.
6) Daher wurde auch die ostasiatische Besatzungsbrigade nicht vom Reich, son-
dern von Preussen verwaltet. Sie oben S. 356 Anm. 1.