Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 42 Der Militärdienst. 375 
pflicht dem Landsturm an). Mannschaften der Kavallerie und reitenden 
Feldartillerie, welche gemäss ihrer gesetzlichen Dienstpflicht, und Mann- 
schaften der Fusstruppen, der fahrenden Feldartillerie und des Trains, welche 
freiwillig im stehenden Heere drei Jahre aktiv gedient haben, dienen in der 
Landwehr I. Aufgebots nur drei Jahre 2). 
2. Von der Wehrpflicht sind befreit die Mitglieder regierender Häuser 
und die Mitglieder der mediatisierten vormals reichsständischen und der- 
jenigen Häuser, welchen die Befreiung von der Wehrpflicht durch Verträge 
zugesichert ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel zusteht ?). 
Da die Wehrpflicht eine staatsbürgerliche Last ist, also nur Reichsange- 
hörige trifft, so kann man sich ihr durch die Auswanderung entziehen. Aus 
diesem Grunde ist die Auswanderung, um sich dem aktiven Dienste im Heere 
oder in der Flotte zu entziehen, verboten. Demgemäss darf die Entlassung 
aus dem Staatsverbande Wehrpflichtigen im Alter vom vollendeten 17. bis 
zum vollendeten 25. Lebensjahre nur erteilt werden, wenn sie ein Zeugnis 
der Ersatzkommission darüber beigebracht haben, dass sie die Entlassung 
nicht bloss in der Absicht nachsuchen, um sich der Dienstpflicht im stehenden 
Heere oder in der Flotte zu entziehen *). Ein Wehrpflichtiger, welcher, unı 
sich der Dienstpflicht zu entziehen, das Bundesgebiet verlässt oder sich durch 
Selbstverstümmelung oder auf andere Art zur Erfüllung der Wehrpflicht un- 
tauglich macht oder in der Absicht, sich der Erfüllung der Wehrpflicht ganz 
oder teilweise zu entziehen, auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird 
bestraft 5). 
3. Militärpflichtig ist derjenige, welcher dr Aushebung 
im stehenden Heere oder in der Flotte unterworfen ist; die Militärpflicht be- 
ginnt daher erst mit dem Lebensalter, in welchem der Wehrpflichtige sich 
die Aushebung gefallen lassen muss, und sie endet mit der definitiven Ent- 
scheidung über die Dienstpflicht. Die Militärpflichtigen und deren Angehö- 
rige haben die Anmeldung zur Stammrolle, deren Führung den Gemeinden 
obliegt, zu bewirken. Militärges. $ 31. Sie haben sich ferner zur Musterung 
vor der Ersatzkommission und zur Aushebung vor der Oberersatzkommission 
an den anberaumten Terminen zu gestellen. Militärges. $ 10. Die Entscheidung 
über die Dienstpflicht wird von den in drei Instanzen gegliederten Ersatz- 
behörden getroffen ®). 
4. DieaktiveDienstpflichtistein Anwendungsfall der Unter- 
tanenpflicht und hat qualitativ keinen anderen Inhalt als die staatsbürger- 
liche Untertanenpflicht überhaupt, nämlich Gehorsam und Treue, jedoch 
stark potenziert, sowohl hinsichtlich des Umfangs als hinsichtlich der Be- 
strafung ihrer Verletzung. Die militärische Gehorsamspflicht ist dadurch von 
1) Ges. v. 11. Febr. 1888 $ 3. 24. 
2) Ges. v. 15. April 1905 Art. II $ 2. 
3) Ausserdem sind von der Wehrpflicht befreit die von der Insel Helgoland her- 
stammenden Personen und ihre vor dem 11. August 1890 geborenen Kinder. Reichsges. 
v. 15. Dez. 1890 $ 3. 
4) Reichsges. v. 1. Juni 1870 $ 15, Abs. 2, Ziff. 1. 
5) Strafgesetzb. $ 140 Ziff. 1 u. Ziff. 3; 142; 143. Militärstrafgesetzb. $ 81 —83. 
6) Vgl. darüber mein Staatsr. d. D. Reichs Bd. IV S. 140 ff.
	        
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