$ 45 Die Finanzwirtschaft des Reiches. III. Die Zölle und Verbrauchssteuern. 405
Verbreitung ansteckender Krankheiten der Menschen und Haustiere zuge-
lassen !).
2. Die Einheit derZoll-und Steuergesetzgebung
ist dadurch in der vollständigsten Weise gesichert, dass nach Art. 35 der RV.
die Kompetenz zur Gesetzgebung über die in diesem Artikel aufgeführten
Gegenstände demReich ausschliesslich zusteht. Den Einzelstaaten
ist demnach hinsichtlich dieser Gegenstände die Befugnis zur Sanktion von
Rechtsregeln gänzlich entzogen; sie dürfen auch nicht zur Ergänzung oder
zur Ausführung von Reichsgesetzen Rechtsvorschriften erlassen, ausser auf
Grund einer besonderen reichsgesetzlichen Ermächtigung. Die ausschliessliche
Gesetzgebungs-Kompetenz des Reiches umfasst das gesamte Zollwesen, also
nicht bloss die Entscheidung darüber, welche Waren einem Zoll unterworfen
sind, nebst dem Zolltarif, sondern auch die Vorschriften über Zollbefreiungen,
über die Erhebung des Zolles, über die Einrichtungen zur Beaufsichtigung
der Erhebung usw., über die Organisation der Zollbehörden und deren
amtliche Befugnisse, Strafbestimmungen für Kontrebande und Defraudation,
Massregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen
Zollgrenze erforderlich sind. Die Gesamtheit dieser Materien ist, abgesehen
von den Bestimmungen des Zollvereinsvertrages v. 8. Juli 1867, gegenwärtig
geregelt in folgenden Gesetzen:
a) Das Zollgesetz vom 1. Juli 1869 (BGBl. S. 317). Dasselbe ist
eine umfassende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zollstraf-
rechts 2). Es ist streng genommen kein Reichsgesetz ; denn es ist im Zollverein
nach Massgabe des Vertrages vom 8. Juli 1867 vereinbart worden und daher
zur Entstehung gekommen als ein gleichlautendes Gesetz der fünf zum Zoll-
verein verbunden gewesenen Staaten; bei der Gründung des Deutschen Reichs
istesnicht unter den Gesetzen des Norddeutschen Bundes, welche zu Reichs-
gesetzen erklärt worden sind, mit aufgeführt worden. Allein praktisch ist
dies in betreff der Gesetzgebungsbefugnis unerheblich, da den
Einzelstaaten die Befugnis zur Gesetzgebung in Zollsachen gänzlich ent-
zogen ist, sie also auch ausserstande sind, an dem Zollgesetz irgend eine Ver-
änderung vorzunehmen °).
Das Reichsgesetz betreffend den Zolltarif des
deutschen Zollgebietesv. 25. Dez. 1902 (RGBl. S. 303) *). Ge-
1) ZollverVertr. Art. 4 Abs. 5. RG. v. 7. April 1869 $ 1, 2, 9, 10 (BGBl. 8. 105)
RG. v. 23. Juni 1880 (RGBil. S. 153) $ 6 ff. Siehe oben S. 295 fg.
2) Zur Ergänzung desselben dienen die allgemeinen Regeln des Strafgesetzbuchs
und die Anordnungen der Strafprozess-Ordnung $ 458% ff., ferner das Zollkartell vom
11. Mai 1833 und das mit Oesterreich bei Gelegenheit des Handelsvertrages v. 23. Mai
1881 vereinbarte und im Handelsvertrage vom 6. Dez. 1891 (RGBl. 1892 S. 3) im Art. 10
aufrecht erhaltene Zollkartell; zu dessen Ausführung das Reichsges. v. 9. Juni 1895
(RGBi. S. 253) ergangen ist, durch welches Zuwiderhandlungenr gegen die österıeichisch-
ungarischen Zollgesetze unter Strafe gestellt werden; endlich das Gesetz betreffend
die Sicherung der Zollvereinsgrenze in den Hamburger Gebietsteilen v. 1. Juli 1869
(BGBl. 8. 370), ausgedehnt auf Bremen durch das RG. v. 28. Juni 1878 (RGBI. 8. 159).
Aus der Literatur ist hervorzuheben Havenstein, Die Zollgesetzgeb. des Reichs.
2. Aufl. 1906.
3) In Elsass-Lothringen ist das Gesetz eingeführt worden durch das Ges. vom
17. Juli 1871 (GesBil. für E.-L. 8. 37).
4) Durch dieses Gesetz sind alle früheren, den Zolltarif betreffenden Gesetze auf-