s 15 Die Finanzwirtschaft des Reiches. IV, Die Reichsstenipelabgaben. 419
Haftung gewährten Vergütungen (Gewinnanteile, Tantiemen, Ge-
hälter, Tagegelder, Reisegelder usw.) unterliegen nach näherer Angabe der
Tarifnummer 9 einer Reichssteuer von 8 Prozent von der Gesamtsumme
der Vergütungen !). Die Abgabe ist von der Gesellschaft zu Lasten der zum
Bezuge der Vergütungen berechtigten Personen zu entrichten. Ges. & 67.
Diese Steuer ist zwar ihrem wirtschaftlichen Wesen nach eine Spezial-E i n-
kommensteuer, die ein privilegium odiosum der von ihr betroffenen
Personen darstellt; sie ist mithin ein Eingriff in die direkte Besteuerung,
welche bisher den Einzelstaaten zur Befriedigung ihrer finanziellen Bedürf-
nisse vorbehalten war; man hat aber den trügerischen Anschein einer Stem-
pelsteuer dadurch erzielt, dass man den Vorstand, die persönlich haftenden
Gesellschafter, beziehungsweise den Geschäftsführer der genannten Gesell-
schaften verpflichtete, alljährlich eine ‚Aufstellung‘ der vom Reich besteuer-
ten Gesamtbeträge anzufertigen; dadurch wird eine Urkunde hergestellt,
welche zur Verwendung von Stempelzeichen gebraucht werden kann, Ges.
$ 66 fg. Der wahre Charakter der Steuer kann durch solche gesetzgeberische
Kunstgriffe natürlich nicht verändert werden.
l) Schecks, welche im Inland ausgestellt oder im Ausland auf das
Inland ausgestellt sind, unterliegen einem Stempel von 10 Pf. für das Stück;
gleichgestellt sind Quittungen über Zahlungen aus Guthaben bei den in $ 2
des Scheckgesetzes v. 11. März 1908 bezeichneten Anstalten oder Firmen.
Befreit sind die inländischen Postschecks und die dem Wechselstempel unter-
liegenden Schecks. Ges. $ 70 ff. Tarif Nr. 10.
m)BeurkundungenvonGrundstücksübertragungen
sind mit '/s Prozent des Kaufpreises oder Werts zu besteuern, und zwar Kauf-
und Tauschverträge und andere entgeltliche Veräusserungsverträge, das Ein-
bringen in eine Aktiengesellschaft oder Gesellsch. m. b. H., die Teberlassung
von Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter oder dessen Erben und
Auflassungen und Anträge auf Eintragung der Begründung oder Uebertra-
gung von Erbbaurechten u. dgl. Befreit von der Abgabe sind der Landes-
fürst und die Landesfürstin (Ges. $ 84). Auf Antrag sind zu befreien Grund-
stücksübertragungen, wenn der stempelpflichtige Betrag bei bebauten Grund-
stücken 20,000 Mk., bei unbebauten 5000 Mk. nicht überschreitet und der
Erwerber weder den Grundstückshandel gewerbsmässig betreibt noch ein
Jahreseinkommen von mehr als 2000 Mk. hat 2).
n) Von Fideikommissen, Lehn- und Stammgütern ist im voraus für je
einen Zeitabschnitt von 30 Jahren eine Abgabe von !/s Prozent des zur Zeit
der Fälligkeit nach den Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes $ 16 zu
ermittelnden Wertes zu entrichten; die Entrichtung kann in gleichen Jahres-
beträgen erfolgen (Ges. $ 89) ?).
Die Abgabe von Grundstücksübertragungen, Fideikomniissen usw. sollte
verdoppelt werden bis zum Inkrafttreten einer Zuwachssteuer,
1) AusfBest. v. 16. Juni 1906. Zentralbl. S. 704 ff.
2) AusfBest. des Bundesr. v. 26. Juli 1909 Zentralbl. S. 580 ff.
3) Daselbst S. 583.
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