Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

490 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrcecht. $ 45 
  
welche bis zum 1. April 1912 eingeführt werden und einen Jahresertrag von 
mindestens 20 Mill. Mk. erbringen soll (Ges. $ 90). Durch das Wertzuwachs- 
steuerges. $ 68 u. 69 sind diese Bestimmungen abgeändert worden; ebenso 
die Anmerkung zu Tarifnummer 11 durch $$ 70 u. 71. 
3. Diejenigen Urkunden, welche reichsgesetzlich einer Stempelabgabe 
unterliegen oder reichsgesetzlich von einer solchen befreit sind, dürfen lan- 
desgesetzlich nicht besteuert werden; ausgenommen sind Urkunden über 
Grundbuchseinträge und Gebühren für die notarielle oder gerichtliche 
Aufnahme oder Beglaubigung von Urkunden (Stempelges. $ 4). Die Erhebung 
und Verwaltung der Abgabe steht den Einzelstaaten zu; nur der Verkauf der 
Wechselstempelmarken wird von den Postanstalten besorgt, wofür die 
Postverwaltungen eine Provision von 214, Proz. der Bruttoeinnahme erhalten. 
Im allgemeinen kommen die in den einzelnen Staaten bestehenden Vorschrif- 
ten über die Verwaltung des Stempelwesens auch hinsichtlich der Reichsstem- 
pelabgaben zur Anwendung; eine besondere Kontrolle ist jedoch durch 
$ 100, 101 des Reichsgesetzes den Landesregierungen zur Pflicht gemacht, 
nämlich die Revision der stempelpflichtigen Schriftstücke der öffentlichen 
Anstalten, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, ein- 
getragenen Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 
Schiffsreeder usw., sofern sie abgabepflichtige Geschäfte der unter Nr.4, 
6, 7 u. 10 des Tarifs bezeichneten Art gewerbsmässig betreiben oder ver- 
mitteln, durch geeignete Beamte. 
Die dem Kaiser gemäss Art. 17 der RV. zustehende Oberaufsicht wird 
durch das Reichsschatzamt geführt. Hinsichtlich des administrativen Straf- 
verfahrens wegen Steuerhinterziehung kommen die Vorschriften der Zollge- 
setze zur Anwendung }). 
V. Die Wertzuwachssteuer. Ges. v. 14. Febr. 1911 (RGBl. 
S. 33). Sie wird erhoben beim Uebergange des Eigentums an inländischen 
Grundstücken von dem Wertzuwachse, der ohne Zutun des Eigentümers 
entstanden ist ($ 1 Abs. 1). Die Steuerpflicht wird begründet durch die Ein- 
tragung der Rechtsänderung im Grundbuch oder — falls es einer solchen 
nicht bedarf — durch den Vorgang, der die Rechtsänderung bewirkt. Jedoch 
begründen auch obligatorische Veräusserungsgeschäfte die Steuerpflicht, 
wenn nicht innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Uebergang des Eigen- 
tums erfolgt oder wenn ein steuerpflichtiges Rechtsgeschäft durch ein anderes 
Rechtsgeschäft verdeckt wird ($ 4-6). Der Eigentumsübergang bleibt von 
der Steuer frei, wenn der Veräusserungspreis bei bebauten Grundstücken 
nicht mehr als 20 000 Mk., bei unbebauten nicht mehr als 5000 Mk. beträgt, 
wofern weder der Veräusserer und sein Ehegatte im letzten Jahre ein Ein- 
kommen von mehr als 2000 Mk. gehabt haben, noch einer von ihnen den 
Grundstückshandel gewerbsmässig betreibt ($ 1 Abs. 2). Bei den im $ 7 
des Ges. aufgeführten Erwerbsarten wird die Steuer nicht erhoben. Als 
steuerpflichtiger Wertzuwachs gilt der Unterschied zwischen dem Erwerbs- 
preise und dem Veräusserungspreise; ist ein Preis nicht vereinbart oder nicht 
1) Wechselstempelzes. $ 21. TReichsstempelges. $ 97.
	        
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