2 46 Das Budgetrecht. I. Das Haushalts-Etats-Gesetz. 429
der Gewalten auf das entschiedenste widerlegt und praktisch auf einem gros-
sen und wichtigen Gebiete beseitigt }).
2. Die Feststellung des Etats. Art. 69 der RV. bestimmit:
„Der Reichshaushalts-Etat wird durch ein Gesetz festgestellt‘. Da der
EtatkeineRechtssätzeenthält, sondern nur ein Voranschlag über die
zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben ist, welcher mit der nach Ablauf
der Wirtschaftsperiode zu legenden Rechnung über die wirklichen Einnah-
men und Ausgaben korrespondiert, so ist er kein Gesetz im materiellen Wort-
sinne; die Bedeutung der angeführten Anordnung ist vielmehr die, dass der
Etat im Wege der Gesetzgebung festgesetzt wird, also unter Zustimmung
des Bundesrats und Reichstages und unter Beobachtung derjenigen Regeln,
welche für das Zustandekommen eines Reichsgesetzes gelten. Insbesondere
finden die Vorschriften der RV. in Art. 5 Abs. 2 über das Dezisivvotum des
Präsidiums im Bundesrate, des Art. 78 Abs. 2 über die Aufhebung der Son-
derrechte einzelner Staaten, des Art. 17 über die Ausfertigung und Verkün-
digung Anwendung.
Art. 69 der RV. bestimmt ferner: „Alle Einnahmen und Ausgaben
müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat
gebracht werden“. Die Wirtschaftsperiode des Reiches ist sonach
verfassungsmässig aufein Jahr bestimmt worden; es muss daher für j e-
des Jahr ein besonderes Etatsgesetz festgestellt werden und das-
selbe muss die Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres umfasen.
Die Wirtschaftsperiode des Reiches, welche anfänglich mit dem Kalenderjahr
zusammenfiel, ist durch das Reichsges. vom 29. Febr. 1876 (RGBl. S. 121)
auf die Zeit vom 1. April bis zum 31. März fixiert worden. Im Zusammen-
hange mit der einjährigen Wirtschaftsperiode steht der Satz des Art. 71 Abs.1
der RV., dass die gemeinschaftlichen Ausgaben in der Regel für ein Jahr
bewilligt werden. Auch wenn ausnahmsweise Ausgaben für eine längere Zeit-
dauer bewilligt werden, sind in den Etat jedes Jahres diejenigen Beträge
einzustellen, welche in dem betreffenden Jahre zur Verwendung kommen sol-
len. Es ist dies in mehreren Gesetzen noch besonders angeordnet worden.
Ferner sollen alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs in einem einheit-
lichen Etat zusammengestellt werden. Die Verfassung spricht immer nur
von dem Reichshaushalts-Etat, der durch ein Gesetz festgestellt wird;
e3 sollen also nicht die Etats der einzelnen Verwaltungszweige getrennt fest-
gestellt werden. Indes ist der Erlass eines oder mehrerer Nachtragsetats,
wenn sich neue Ausgaben als notwendig erweisen oder eine Veränderung
der Einnahmequellen erfolgt, durch die Praxis wiederholt als zulässig aner-
kannt worden.
Art. 69 der RV. bestimmt endlich: ‚Der Etat wird vor Beginn des
Etatsjahres festgestellt“. Es entspricht dies der Natur des Etats als Vor-
1) Die Aufstellung des Etats ist keine Besonderheit der Staatswirtschaft;
sie ist auch für jede Gemeinde, jeden Kommunalverband, jede Anstalt oder Stiftung
mit bedeutender Verwaltung usw. erforderlich. Diese Etats sind mit den Etats der Staa-
ten wesensgleich und niemand wird die Behauptung wagen, dass sie „Gesetze‘‘
seien.