Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

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Das Budgetrecht. III. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. 437 
  
  
c) Die zeitlichen Abweichungen vom Etat bestehen entweder da- 
rin, dass Ausgaben am Ende des Jahres noch nicht erledigt sind (Restver- 
waltung) oder dass sie bereits vor Beginn des Jahres geleistet worden sind. Die 
Rest verwaltung ist an und für sich erlaubt und ganz unvermeidlich; von 
Wichtigkeit ist es nur, die Grenze zwischen Restverwaltung und Ausgabe-Er- 
sparnissen zu ziehen. Hierbei ist zunächst das Prinzip massgebend, dass nicht 
die Zeit der erfolgten Zahlung, sondern die Fälligkeit der Obligation entschei- 
det. Die Restverwaltung lässt sich negativ dahin bestimmen, dass auf ihr 
Konto keine Ausgaben der laufenden Verwaltung genommen werden 
dürfen; die Einnahmen und Ausgaben sind für dasjenige Etatsjahr zu verrech- 
nen, welchem sie ihrem Rechts- bezw. Entstehungsgrunde nach angehören. 
Die Instruktion für die preussische Ober-Rechnungs-Kammer vom 18. De- 
zember 1824 $ 24, die provisorisch auch für den Rechnungshof des Deutschen 
Reiches bindende Kraft hat, bestimmt, dass nicht verbrauchte Fonds am Ende 
deszweiten Jahres als erspart zu berechnen sind. Eine Abweichung hier- 
von tritt nur dann ein, wenn der Etat selbst die in ihm bewilligten Ausgaben- 
positionen für übertragbar von einem Jahr auf das andere erklärt; als solche 
Fonds gelten alle Baufonds und alle zu einmaligen Ausgaben bewilligten 
Summen. Die Vorschuss verwaltung ist im allgemeinen untersagt und 
höchstens insoweit zulässig, als sie lediglich als verfrühte Zahlungsleistung, 
als Kassen-Auslage, erscheint. Dies kann nur bei solchen Kassen vorkommen, 
welche mit Materialbeständen abschliessen dürfen, und es sind die vorhandenen 
Bestände als Aktiva in einer den geleisteten Vorschüssen entsprechenden Höhe 
nachzuweisen, so dass die Vorschüsse rechnungsmässig nicht als Mehrausgaben 
erscheinen !). 
III. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. Eskann der Fall eintreten, dass 
das Reichshaushaltsgesetz vor Beginn des Etatsjahres nicht zustande 
kommt; die Verfassung hat keine ausreichende Sicherheit geschaffen, un das 
Eintreten eines solchen Falles auszuschliessen, aber auch keine Rechtsgrund- 
sätze sanktioniert, welche in einem solchen Falle Platz greifen; die letzteren 
müssen daher auf wissenschaftlichem Wege aus allgemeinen Rechtsprinzipien 
hergeleitet werden. Hierbei muss man ganz davon absehen, wen etwa die 
Schuld an dam Nichtzustandekommen trifft. Eine solche Schuld braucht über- 
haupt nicht vorzuliegen; bei gewissenhafter Beobachtung aller staatsrecht- 
lichen und politischen Pflichten kann der Fall eintreten, dass Bundesrat und 
Reichstag über den Etat zu übereinstimmenden Mehrheitsbeschlüssen nicht 
gelangen oder nicht rechtzeitig gelangen, und falls in der Tat ein Verschulden 
oder die Erhöhung der Matrikularbeiträge erforderlich ist. Wegen des Zusammenhangs 
dieser Bewilligung von Einnahmen mit den bereits gelisteten, bisher ‚„ausseretatsmässi- 
gen‘ Ausgaben, wird die Form der Etatsergänzung durch ein Nachtragsetatsgesetz ge- 
wählt. Wenn dagegen aus den etatsmässigen Mitteln die ausseretatsmässige Ausgabe 
geleistet worden ist oder in ihnen Deckung findet, bedarf es der solennen Gesetzesform 
nicht Eine derartige Vorschussverwaltung kommt namentlich in ausgedehnten Masse 
bei der Armee- und Marineverwaltung vor, welche in billigen Jahren Naturalien-Reserve- 
vorräte zum Zweck der Truppenverpflegung ansammelt und sie in Teuerungsjahren 
mit zur laufenden Konsumition zieht und dann bei günstiger Konjunktur wieder ergänzt 
oder vermehrt. Vgl. Drucksachen des Reichstages 1872, Nr. 143, 8. 7.
	        
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