$ 46
Das Budgetrecht. III. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. 437
c) Die zeitlichen Abweichungen vom Etat bestehen entweder da-
rin, dass Ausgaben am Ende des Jahres noch nicht erledigt sind (Restver-
waltung) oder dass sie bereits vor Beginn des Jahres geleistet worden sind. Die
Rest verwaltung ist an und für sich erlaubt und ganz unvermeidlich; von
Wichtigkeit ist es nur, die Grenze zwischen Restverwaltung und Ausgabe-Er-
sparnissen zu ziehen. Hierbei ist zunächst das Prinzip massgebend, dass nicht
die Zeit der erfolgten Zahlung, sondern die Fälligkeit der Obligation entschei-
det. Die Restverwaltung lässt sich negativ dahin bestimmen, dass auf ihr
Konto keine Ausgaben der laufenden Verwaltung genommen werden
dürfen; die Einnahmen und Ausgaben sind für dasjenige Etatsjahr zu verrech-
nen, welchem sie ihrem Rechts- bezw. Entstehungsgrunde nach angehören.
Die Instruktion für die preussische Ober-Rechnungs-Kammer vom 18. De-
zember 1824 $ 24, die provisorisch auch für den Rechnungshof des Deutschen
Reiches bindende Kraft hat, bestimmt, dass nicht verbrauchte Fonds am Ende
deszweiten Jahres als erspart zu berechnen sind. Eine Abweichung hier-
von tritt nur dann ein, wenn der Etat selbst die in ihm bewilligten Ausgaben-
positionen für übertragbar von einem Jahr auf das andere erklärt; als solche
Fonds gelten alle Baufonds und alle zu einmaligen Ausgaben bewilligten
Summen. Die Vorschuss verwaltung ist im allgemeinen untersagt und
höchstens insoweit zulässig, als sie lediglich als verfrühte Zahlungsleistung,
als Kassen-Auslage, erscheint. Dies kann nur bei solchen Kassen vorkommen,
welche mit Materialbeständen abschliessen dürfen, und es sind die vorhandenen
Bestände als Aktiva in einer den geleisteten Vorschüssen entsprechenden Höhe
nachzuweisen, so dass die Vorschüsse rechnungsmässig nicht als Mehrausgaben
erscheinen !).
III. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. Eskann der Fall eintreten, dass
das Reichshaushaltsgesetz vor Beginn des Etatsjahres nicht zustande
kommt; die Verfassung hat keine ausreichende Sicherheit geschaffen, un das
Eintreten eines solchen Falles auszuschliessen, aber auch keine Rechtsgrund-
sätze sanktioniert, welche in einem solchen Falle Platz greifen; die letzteren
müssen daher auf wissenschaftlichem Wege aus allgemeinen Rechtsprinzipien
hergeleitet werden. Hierbei muss man ganz davon absehen, wen etwa die
Schuld an dam Nichtzustandekommen trifft. Eine solche Schuld braucht über-
haupt nicht vorzuliegen; bei gewissenhafter Beobachtung aller staatsrecht-
lichen und politischen Pflichten kann der Fall eintreten, dass Bundesrat und
Reichstag über den Etat zu übereinstimmenden Mehrheitsbeschlüssen nicht
gelangen oder nicht rechtzeitig gelangen, und falls in der Tat ein Verschulden
oder die Erhöhung der Matrikularbeiträge erforderlich ist. Wegen des Zusammenhangs
dieser Bewilligung von Einnahmen mit den bereits gelisteten, bisher ‚„ausseretatsmässi-
gen‘ Ausgaben, wird die Form der Etatsergänzung durch ein Nachtragsetatsgesetz ge-
wählt. Wenn dagegen aus den etatsmässigen Mitteln die ausseretatsmässige Ausgabe
geleistet worden ist oder in ihnen Deckung findet, bedarf es der solennen Gesetzesform
nicht Eine derartige Vorschussverwaltung kommt namentlich in ausgedehnten Masse
bei der Armee- und Marineverwaltung vor, welche in billigen Jahren Naturalien-Reserve-
vorräte zum Zweck der Truppenverpflegung ansammelt und sie in Teuerungsjahren
mit zur laufenden Konsumition zieht und dann bei günstiger Konjunktur wieder ergänzt
oder vermehrt. Vgl. Drucksachen des Reichstages 1872, Nr. 143, 8. 7.