Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

52 Dritter Abschnitt: Die natürlichen Grundlagen d. Reiches. (Land u. Volk.) $ 9 
  
Wirkungen treten erst mit dem Zeitpunkte der Aushändigung ein ($ 10). 
Erforderlich ist die Geschäftsfähigkeit des Aufzunehmenden und beim Mangel 
derselben die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Das Geschäft ist 
demnach ein zweiseitiges, welches auf dem Gebiete des Privatrechts seine 
Analogie in den familienrechtlichen Verträgen, insbesondere in der Adoption 
findet !). Die Verleihung erstreckt sich, insofernnichtdabeieine 
Ausnahmegemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch 
unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder ($ 11)2). Im 
übrigen ist zu unterscheiden, ob ein Angehöriger eines deutschen Bundes- 
staates oder ein Ausländer die Verleihung der Staatsangehörigkeit verlangt; 
im ersteren Falle heisst se Aufnahme ,imletzteren Naturalisation. 
Die Aufnahme darf nicht verweigert werden, wenn der Nachsuchende 
den Nachweis führt, dass er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme 
nachsucht, sich niedergelassen, d. h. einen Wohnsitz genommen habe, wofern 
kein Grund vorliegt, welcher nach den $$ 2—5 des Freizügigkeitsgesetzes 
die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung 
des Aufenthalts rechtfertigt ($ 7) 3). Dagegen die Naturalisation darf nicht 
erteilt werden, wenn nicht die im $ 8 des Reichsgesetzes aufgeführten 
Voraussetzungen begründet sind, nämlich Geschäftsfähigkeit des Aufzu- 
nehmenden nach dem Recht seiner bisherigen Heimat, unbescholtener Le- 
benswandel, eigene Wohnung oder ein Unterkommen am Orte der beabsich- 
tigten Niederlassung, sowie die Fähigkeit, an diesem Orte nach den daselbst 
bestehenden Verhältnissen sich und seine Angehörigen zu ernähren. Bevor 
die Naturalisationsurkunde erteilt wird, hat die Verwaltungsbehörde die Ge- 
meinde (oder den Armenverband) des Ortes, wo der Aufzunehmende sich 
niederlassen will, über die Unterkunft und die Ernährungsfähigkeit desselben 
zu hören ?). Die Beibringung einer Entlassungsurkunde aus dem bisherigen 
Untertanenverhältnis ist durch das Reichsgesetz nicht vorgeschrieben, den 
1) Die Verleihung wird als einseitige Verfügung der Staatsbehörde aufge- 
fasst von G. Meyer, Staatsr. $ 76 Note 8; Zorn IS. 357; O.Mayerim Arch. £. 
öffentl. R. Bd. 3 8. 46 ff.; Radnitzky, Parteiwillkür im öffentl. R. Wien 1888 
8. 59 ff.; Sartorius 8.55; Anschütz 8.530. Vgl. dagegen Jellinek, Syst. 
der subj. öffentl. Rechte S. 209 fg.;Seydell 8.275 Notel3; v.SarweylS. 165; 
Rehm, Annalen 1885 8. 118fg. u. a. Ueber die Gründe, welche zur Auffassung der 
Verleihung als eines zweiseitigen Geschäfts nötigen, vgl. mein Staatsr. d. D.R. 
Bd.IS.166 ff. Aus der zweiseitigen Natur der Naturalisation folgt, dass der Staat nicht 
befugt ist, die erteilte Naturalisation zurückzuziehen. Entsch. des Preuss. Ober-Ver- 
waltungsger. Bd. 13 8. 408 ff., 27 S. 410 ff. Vgl. über diese, nicht unbestrittene Frage 
Seydelin Hirths Annalen 1876 8. 142, u. Fliess, Rechtskraft der Naturalisations 
urkunde 1906 (Greifsw. Dissert... Walter Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt. 
1908 S. 166 fg. Cahn (3. Aufl.) S. 78 ff. 
2) Art. 41 des Einf.Ges. z. BGB. schränkt dies jedoch ein auf diejenigen minder- 
jährigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Aufgenommenen oder Naturali- 
sierten kraft elterlicher Gewalt zusteht und schliesst von dieser Wirkung aus Töchter, 
welche verheiratet sind oder verheiratet gewesen sind. 
3) Die Erteilung der Aufnahme-Urkunde muss kostenfrei erfolgen; für die Natu- 
ralisations-Urkunde können Stempel- und Ausfertigungsgebühren erhoben werden. 
Ges. $ 21 Abs. 1. Die Festsetzung ihrer Höhe unterliegt der Autonomie der Einzel- 
staaten. Ein Verzeichnis der in den einzelnen Bundesstaaten zur Erhebung kommen- 
den Taxen bei Cahn 8. 321 Anlage 24. 
4) Der Entw. von 1912 $ 7 Alıs. 3 bestimmt, dass die Aufnahme eines Ausländers 
erst erfolgen darf, nachdem durch Vermittlung des Reichskanzlers festgestellt worden ist, 
dass die übrigen Bundesstaaten keine Bedenken dagegen erheben.
	        
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