54 Dritter Abschnitt: Die natürlichen Grundlagen d. Reiches. (Land u. Volk.) $ 9
der Uebersiedelung innerhalb des Bundesgebietes muss (analog der Auf-
nahme) jedem Staatsangehörigen erteilt werden, welcher nachweist, dass er in
einem andern Bundesstaate die Staatsangehörigkeit erworben hat!) ($ 15
Abs. 1). Die Entlassung behufs Auswanderung (analog der Naturalisation)
darf nicht erteilt werden solchen Personen, welche sich durch die Ent-
lassung ihrer Militärpflicht entziehen wollen ?) ($ 15 Abs. 2). Für die Zeit
eines Krieges oder einer Kriegsgefahr kann der Kaiser im Wege der Ver-
ordnung besondere Bestimmungen erlassen ($ 17).
d) Durch Nichtgebrauch?°) geht die Staatsangehörigkeit ver-
loren, wenn ein Deutscher sich 10 Jahre lang ununterbrochen im Auslande
aufhält. Es ist hier nicht ein Verzicht zu fingieren, welcher unmöglich ist, da
die Staatsangehörigkeit ein status, eine rechtliche Eigenschaft ist, wie die
Grossjährigkeit, Geschäftsfähigkeit, der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte
und dgl., sondern das Gesetz knüpft an die Tatsache als solche den Verlust
der Staatsangehörigkeit. Die Schutzgebiete gelten in dieser Beziehung als
Inland. Die Frist *) beginnt, wenn der Austretende sich im Besitze eines
Reisepapiers oder Heimatscheines befindet, erst mit dem Ablaufe der Gültig-
keitsdauer dieser Papiere; sie wird unterbrochen, wenn sich der Abwesende
in die Matrikel eines Bundeskonsulats eintragen lässt ($ 21 Abs. 1)°). Der
Verlust erstreckt sich auf die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des
Abwesenden, soweit sich dieselben bei dem Ehemanne, bezw. Vater befinden
($ 21 Abs. 2)®). Kehrt der Deutsche, der die Staatsangehörigkeit durch
Nichtgebrauch verloren hat, nach Deutschland zurück, so ist der Staat, in
dessen Gebiet er sich niederlässt, verpflichtet, demselben die Aufnahmeurkunde
zu erteilen ($ 21 Abs. 5); ausserdem ist der frühere Heimatstaat hierzu
berechtigt, auch wenn sein ehemaliger Angehöriger sich nicht in seinem
Gebiet niederlässt, falls der letztere nicht inzwischen eine andere Staats-
angehörigkesit erworben hat ($ 21 Abs. 4) ?).
1) Die Erteilung erfolgt kostenfrei. $ 24 Abs. 1.
2) An Gebühren darf nicht mehr als 3 Mark erhoben werden. $ 24. Abs. 2.
3) Vgl. Bahrfeldt, Verlust der Staatsangehörigkeit etc. Breslau 1903 (Ab-
handlung aus dem Staats- u. Verwaltungsr. herausgeg. von Brie Heft7. Grabowsky,
Der sogen. Verlust der St.A. durch Fristablauf. Im Verwaltungsarchiv Bd. 12 8. 204 ff.
(1904). Cahn S. 136 ff.
4) Die Reichsregierung ist ermächtigt, durchStaatsvertragmit ausländischen
Staaten die Frist bis auf eine fünfjährige herabzusetzen ($ 21 Abs. 3). Veranlassung
hierzu war Art. 1 des Vertrages mit Nordamerika v. 22. Febr. 1868 (RGBl. S. 228).
5) Besondere Abreden über den Verlust, resp. Erwerb der Staatsangehörigkeit
enthält der Vertrag mit Nicaragua v. 4. Febr. 1896 (Reichsgesetzbl. 1899 S. 171)
Art. 10 und anderen mittelamerikanischen Staaten. Siehe darüber mein Staatsrecht
des D. Reichs (5. Aufl.) I. 8. 181.
6) Nämlich in dem Zeitpunkt, in welchem der Verlust der Staatsangehörigkeit
für den Ausgetretenen erfolgt, auch wenn sie nicht zehn Jahre lang von Deutschland
abwesend waren. Befinden sich die Kinder nicht bei ihrem Vater, waren aber zehn
Jahre hindurch ununterbrochen von Deutschland abwesend, so tritt bei ihnen der Ver-
lust der Staatsangehörigkeit selbständig ein.
7) Nach dem Gesetzentw. von 1912 ist der Verlust der Staatsangehörigkeit durch
zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande gestrichen. Der Verlust soll
nur eintreten, wenn der im Auslande sich aufhaltende Deutsche eine ausländische
Staatsangehörigkeit auf seinen oder seines gesetzl. Vertreters Antrag erwirbt und
wenn er bis zur Vollendung des 31. Lebensjahres noch keine endgültige Entscheidung
über seine Dienstverpflichtung herbeigeführt hat, auch eine Zurückstellung über diesen
Zeitpunkt hinaus nicht erfolgt ist.