Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

> Vierter Abschnitt: Die Organisation des Reiches. $ 10 
  
Vierter Abschnitt. 
Die Organisation des Reiches, 
$ 10. Der Kaiser). I. ‚Das Präsidium des Bundes steht dem König 
von Preussen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt.“ RV. Art. 11 
Abs. 1. Der Begriff des Bundespräsidiums ist durch die Verknüpfung des- 
selben mit dem Kaisertitel nicht verändert worden. Aus den geschichtlichen 
Vorgängen, die zur Wiederaufrichtung des Ka‘sertitels führten, aus den Mo- 
tiven und Erklärungen, mit denen die Vorlage der jetzigen Verfassungs- 
redaktion und deren Beratung begleitet wurde, und vor allem aus den ange- 
führten Worten der RV. selbst, ergibt sich mit unzweifelhafter Gewissheit, 
dass das Kaisertum ganz und vollkommen identisch ist mit dem Bundes- 
präsidium, und dass es, abgesehen von dem Titel unl den demselben entspre- 
chenden Insignien, keine Rechte enthält als die Präsidialrechte ?). 
In der Verfassung des Nordd. Bundes werden diejenigen Rechte, welche jetzt 
kaiserliche sind, teils dem ‚Präsidium‘, teils dem „Bundesfeldherrn‘, teils schlechthin 
dem Könige „von Preussen‘ zugeschrieben. Das Nordd. Strafgesetzb. führte für den 
Träzer dieser Rechte die Bezeichnung ‚„Bundesoberhaupt‘“ ein; bei der Begründung 
des Deutschen Reiches ist auf Anregung des Königs von Bayern (siehe oben 8. 12, 
Note 9) die Wiederherstellung des Kaisertitels beschlossen worden. Die jetzige RV. 
hat in den Artikeln 5 Abs. 2;6 a Abs. 2;7 Abs. 2 und Abs. 3; 8 Abs. 1 und 37 den Aus- 
druck ‚Präsidium‘ beibehalten ; im übrigen durchweg den Ausdruck „Kaiser“ an die 
Stelle gesetzt. Beide Ausdrücke bedeuten sachlich ganz dasselbe. 
Der Kaiser ist nicht Souverän des Reiches; die Reichsgewalt steht nicht 
ihm, sondern der Gesamtheit der Deutschen Bundesfürsten und freien 
Städte zu; wo er für das Reich Willenserklärungen abgibt oder Handlungen 
vornimmt, handelt er ‚im Namen des Reiches‘; wo dem Reichstage gegen- 
über das Subjekt der Reichsgewalt in Betracht kommt, handoelt er ‚im Namen 
1) v. Held, Das Kaisertum als Rechtsbegriff. Würzb. 1879. Seydel, Kom- 
mentar 8. 126, 153 ff.v. Moh1S8S.280ff. Hänel, Studien IIS.56ff. Derselbe, 
Das Kaisertum. Rektoratsrede. Kiel 1892. J.W.Burgess, The German Emperor. 
Political Science Quarterly. Bd. III S. 334 ff. New. York 1888. Bornhak, Die 
verfassungsrecht!. Stellung des d. Kaisertums. Arch. £. öff. R. Bd. VIII S. 425 ff. 1893. 
Rich. Fischer, Das Recht des D. Kaisers. Berlin 1895. Laband, Das deutsche 
Kaiserturmn. Strassb. 1896. Binding, Die rechtl. Stellung des Kaisers. Dresden 
1898. W. Rosenberg, Preuss. Jahrbücher Bd. 103 S. 249 ff. (1901). Tophoff, 
Die Rechte des Deutschen Kaisers. Stuttg. u. Wien. 1902. O. Lackmann, Das 
Kaisert. in den Verfassungen d. D. Reichs von 1849 u. 1871 (Dissert... Bonn 1903. 
R.Steinbach ,Dierecht!. Stellung des D. Kaisers verglichen mit der des Präsidenten 
der Vereinigten Staaten v. Amerika. Leipz. 1903. Anschütz, Enzyklop. S. 545 ff. 
2) Dadurch wird keineswegs die grosse politische Bedeutung des Kaisertitels, 
namentlich für das nationale Empfinden des Volkes, verneint. Vgl. meine Ausführung 
im Jahrb. d. öff. R. IS. 14 fg.
	        
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