sıl Der Bundesrat. 63
selben nur einheitlich abgeben, und diese Stimmenzahl ist unabhängig von
der Anzahl der Bevollmächtigten, welche an der Beschlussfassung teilnehmen.
Prinzipiell ist es demnach auch den Einzelstaaten überlassen, wie viele Be-
vollmächtigte sie ernennen wollen; indes hat die RV. Art. 6 Abs. 2 zur Ver-
hütung eines zu schwerfälligen Geschäftsganges ein Maximum festgesetzt
durch die Anordnung: ‚Jedes Mitglied des Bundes kann so viele Bevoll-
mächtigte zum Bundesrate ernennen, wie es Stimmen hat‘. Ueberdies steht
es jedem Bundesstaate frei, Stellvertreter für die Bevollmächtigten zum
Bundesrate für den Fall der Verhinderung der letzteren zu ernennen !). Es
wird aber nicht für den einzelnen Hauptbevollmächtigten für den Fallseiner
Verhinderung ein bestimmter Vertreter bestellt, sondern es wird ausser den
Hauptbevollmächtigten eine zweite Reihe von Bevollmächtigten der Bundes-
staaten ernannt, deren Zahl verfassungsmässig nicht begrenzt ist ?).
Der_Anteil der einzelnen Staaten an der dem Bundesrate zugewiesenen
Tätigkeit erstreckt sich gleichmässig für alle Staaten auf die gesamte dem
Bundesrat zustehende Kompetenz, auch wenn die Angelegenheit, welche den
Gegenstand der Beschlussfassung bildet, tatsächlich nur einen Teil des Bundes-
gebiets oder der Bundesglieder betrifft. Ausgenommen sind jedoch nach Art. 7
Abs. 4 Angelegenheiten, welche nach den Bestimmungen der
Reichsverfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich sind;
bei der Beschlussfassung über eine solche Angelegenheit werden nur die Stim-
men derjenigen Bundesstaaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemein-
schaftlich ist. Ausgeschlossen ist demgemäss das Stimmrecht Bayerns, Würt-
tembergs und Badens in den die Biersteuer betreffenden Angelegenheiten (RV.
Art. 35. 38) ?); das Stimmrecht Bayerns und Württembergs in denjenigen
Angelegenheiten, welche die Verwaltung der Reichspost und Telegraphen-
anstalt betreffen (RV. Art. 52); das Stimmrecht Bayerns in Angelegenheiten,
welche die Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reichs über die Heimats-
und Niederlassungsverhältnisse angehen (RV. Art. 4 Nr. 1) und welche zu
den dem Reiche in den Art. 42—-46 Abs. 1 der RV. eingeräumten Hobeits-
rechten hinsichtlich des Eisenbahnwesens gehören.
II. Die Mitglieder dos Bundesrates sind ‚Vertreter‘, „Bevollmächtigte‘“
der Einzelstaaten. Sie sind ihrer Regierung dafür verantwortlich, dass sie
ihren Instruktionen gemäss gestimmt haben; nicht minder für ihre ander-
weitige amtliche Tätigkeit, z. B. für die Berichterstattung an die Regierung
über die Vorgänge am Bundesrate. Wenn der Bevollmächtigte, was die
Regel ist, zugleich Beamter des von ihm vertretenen Staates ist, so bestimmt
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1) Vgl. über diese der RV. fremde Institution die treffliche Abhandlung von
B: Perels, Stellvertretende Bevollmächtigte zum BR. 1907 (Aus der Festgabe für
änel).
2) Die grosse Mannigfaltigkeit der Angelegenheiten, welche der Bundesrat und na-
mentlich die Ausschüsse zu bearbeiten haben, machte es erforderlich, sachverständige
Mitglieder aus den verschiedenen Verwaltungszweigen zur Teilnahme heranzuziehen.
Siehe meine Ausführungen in der DJZ. 1911 Sp. 7.
3) Jedoch ist eine Erhöhung der Biersteuer eine auch für die drei süddeut-
schen Staaten gemeinschaftliche Angelegenheit, da sie eine Erhöhung der von ihnen
zu zahlenden Aversa zur Folge hat.