Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

64 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Reiches. $ 11 
sich seine Verantwortlichkeit nach dem, in diesem Staat geltenden Beamten- 
gesetz; er ist ferner der Disziplinargewalt seiner Regierung unterworfen und 
er bezieht aus den Mitteln des Einzelstaates seinen Gehalt. Die Erteilung der 
Instruktion an die Bevollmächtigten ist ein Regierungsgeschäft des Einzel- 
staates und steht unter den Regeln des Landesstaatsrechts. Der Minister, 
welcher die Instruktion erteilt oder gegengezeichnet hat, ist für diese Regie- 
rungshandlung nach Massgabe des öffentlichen Rechts seines Staates verant- 
wortlich !). Von dieser Instruktion zu unterscheiden ist die Vollmacht 
des Bundesratsmitgliedes. Die erstere bezieht sich auf das Verhältnis des- 
selben zu seiner Regierung, die letztere auf das Verhältnis zum Reich und 
den übrigen Staaten. Die Instruktion kann eine spezielle oder generelle sein; 
sie kann dem Bundesratsmitgliede die Abgabe einer bestimmt formulierten 
Erklärung vorschreiben oder ihm nur allgemeine Gesichtspunkte vorzeichnen 
oder alles in sein Ermessen stellen oder ihm Enthaltung der Stimmabgabe 
befehlen. Die Vollmacht dagegen ist unbeschränkbar mit Wirkung gegen 
Dritte; die Abstimmung im Bundesrat ist ein Formal-Akt und ihre rechts- 
verbindliche Kraft unabhängig davon, ob sie wirklich durch die erhaltene 
Instruktion gerechtfertigt erscheint oder nicht ?). Damgemäss hat der Bundes- 
rat das Recht und die Pflicht, die Vollmacht (Legitimation) seiner Mitglieder 
zu prüfen, dagegen nicht den Auftrag (Instruktion). Wer Mitglied des Bundes- 
rates ist, kann nicht gleichzeitig Mitglied des Reichstages sein, da er in jener 
Eigenschaft gemäss der ihm erteilten Instruktion, in dieser gemäss seiner 
persönlichen Ueberzeugung zu stimmen hat; dagegen steht es jedem Mitglied 
des Bundesrates frei, im Reichstage die Ansichten seiner Regierung zu ver- 
treten, und zwar auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundes- 
rates nicht angenommen worden sind. 
In einem Dienstverhältnis zum Reiche stehen die Bundesrats-Mitglieder 
nicht; es ist ihnen die Stellung der diplomatischen Geschäftsträger einge- 
räumt und im Art. 10 der RV. bestimmt, dass es dem Kaiser obliegt, ihnen 
den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren. Dadurch ist ihnen, soweit 
sie nicht preussische Staatsangehörige sind, die Exterritorialität der preus- 
sischen Staatsgewalt gegenüber gewährleistet ?). In Uebereinstimmung hier- 
mit sind sie auch von der preussischen Gerichtsbarkeit in gleichem Umfange 
wie Gesandte der Deutschen Bundesstaaten beim Könige von Preussen befreit. 
III. Die Kompetenz des Bundesrats lässt sich nicht durch eine 
allgemeine Regel abgrenzen. Da der Beschluss des Bundesrates den Willen 
der Gesamtheit der Bundesglieder, also des Trägers der Reichssouveränetät, 
darstellt, so ist die Kompetenz des Bundesrates eine allgemeine, d. h. alle 
Betätigungen und Aeusserungen des staatlichenWillens des Reiches umfassende, 
welche nicht durch Bestimmungen der Reichsgesetze anderen Organen, ins- 
1) Siehe oben 8. 27 u. über Els.-Lothr. unten $ 23. 
2) Tiebereinstimmend SeydelS. 276. Anschütz S. 511. 
3) Der Sinn ist der, dass die nichtpreussischen Bundesratsbevollmäch- 
tigten so angesehen werden sollen, als wären sie beim König von Preussen akkreditierte 
diplomat. Geschäftsträger der übrigen Bundesstaaten. Den ‚üblichen diplomatischen 
Schutz‘ gewährt demnach streng genommen nicht der Kaiser, sondern der König von 
Preussen. Die Bestinmung ist eine Reminiszenz an die chemalige Bundesversammlung. 
  
  
 
	        
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