Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ ıl Der Bundesrat. 1 
  
sie betrifft nicht eine Abänderung, sondern eine Auslegung der Verfassung. 
2. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine und 
die im Art. 35 bezeichneten Abgaben, sowie bei Beschlüssen über die Ab- 
änderung von Verwaltungs-Vorschriften und Einrichtungen, welche zur Aus- 
führung der erwähnten Zoll- und Steuergesetze dienen, ist der Antrag vom 
Bundesrat nur dann angenommen, wenn sich die preussischen Stimmen in der 
Mehrheit, die sich für denselben erklärt, befinden. Art. 7 Abs. 3. 
V. Aus der Mitte des Bundesrates werden Ausschüsse gebildet; 
dieselben sind teils „dauernde“, d.h. verfassungsmässig angeordnete, teils für 
einzelne Geschäfte vom Bundesrate gebildete; auch die letzteren können aber 
ständig eingesetzt werden !). Die verfassungsmässig erforderten Ausschüsse 
sind folgende: 1. für das Landesheer und die Festungen; 2. für das Seewesen 
(d. h. die Kriegsmarine); 3. für Zoll und Steuerwesen; 4. für Handel und 
Verkehr; 5. für Eisenbahnen, Post und Telegraphen; 6. für Justizwesen; 
7. für Rechnungswesen. Hierzu kommt noch ein Ausschuss für die auswär- 
tigen Angelegenheiten, der von den übrigen Ausschüssen wesentlich verschie- 
den ist und besonders zu besprechen ist. Was die 7 anderen Ausschüsse an- 
langt, so müssen in jedem derselben mindestens 5 Staaten, darunter Preussen, 
vertreten sein; nach der rev. Geschäftsordnung $ 17 ist aber diese Zahl nur 
für den Ausschuss für das Seewesen beibehalten worden; alle übrigen Aus- 
schüsse bestehen aus 7 Mitgliedern. Die Zusammensetzung erfolgt von Jahr 
zu Jahr durch Wahl des Bundesrates; nur der Ausschuss für das Landheer 
und die Festungen und derjenige für das Seewesen werden vom Kaiser 
ernannt. In dem ersten dieser beiden Ausschüsse hat Bayern verfassungs- 
mässig einen Sitz; ausserdem ist durch die Militärkonventionen mit Württem- 
berg und Sachsen den beiden Königreichen die Zusicherung erteilt worden, 
„jederzeit in dem: Ausschusse vertreten zu sein‘. Die ausscheidenden Mit- 
glieder sind wieder wählbar. Die Bestimmung der RV., dass die Mitglieder 
des Ausschusses vom Bundesrat beziehentl. vom Kaiser ernannt werden, 
wird praktisch in der Art ausgeübt ”), dass die Staaten bezeichnet werden, 
denen es dann frei steht, ihren Bevollmächtigten in den Ausschuss zu ent- 
senden ?). In den Ausschüssen führt stets der Bevollmächtigte Preussens den 
Vorsitz; die Beschlüsse werden mit einfacher Majorität gefasst; innerhalb 
der Ausschüsse führt jeder Staat nur eine Stimme (Art. 8). Die Geschäfte der 
Ausschüsse bestehen hauptsächlich in der Abfassung der Berichte an den 
Bundesrat; jedoch sind durch spezielle Anordnungen der RV. und der Reichs- 
gesetze den einzelnen Ausschüssen gewisse Angelegenheiten zur selbständigen 
Erledigung zugewiesen *). Die dauernden Ausschüsse können auch dann in 
Tätigkeit treten, wenn der Bundesrat nicht versammelt ist. 
1) Es bestehen 4 ständige Ausschüsse, die nicht durch die Verfassung geboten sind, 
der (9.) für Elsass-Lothringen, der (10.) für die Verfassung, der (11.) für die Ge- 
schäfts-Ordnung, und der (12.) für das Eisenbahn-Gütertarifwesen. 
2) Die näheren Anordnungen enthält $ 18 der revid. Geschäfts-Ordnung. 
3) Dass dies mit dem Wortlaut der RV. Art. 8 nicht übereinstimmt, erkennen 
auchHänel, Studien IIS. 30 und Binding. D.Jur.-Zeitung 1899 8. 72 an; an- 
derer Ans. Seydel S. 278fg. und G. Meyer $ 125 Note 5. 
4) Ueber die Einzelheiten vgl. mein Staatsr. d. D. Reichs I 8. 286 ff.
	        
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