Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 13 Die Reichsbehörden. I. Begriff. 87 
  
  
Reichs- und Landesbehörden gegeben. Soweit dem Einzelstaate die Ver- 
waltung als eigenes Recht zusteht, ist die Führung derselben ein Geschäft 
des Einzelstaates, nicht des Reiches, wenngleich die Verwaltung materiell und 
formell durch Gesetze des Reiches geregelt ist. Daher sind z. B. die Gerichte, 
die Zollbehörden, die Eichungsämter, Strandämter, Heimatsämter, die Militär- 
behörden usw. Landesämter. Hinsichtlich der überwiegenden Mehrzahl 
derjenigen Gebiete, auf welche sich die Zuständigkeit der Reichsregierung 
erstreckt, ist die Verwaltung den Einzelstaaten überlassen und die Verwal- 
tungstätigkeit des Reiches auf die Beaufsichtigung derselben beschränkt; 
nur für diejenigen Zweige, für welche kraft besonderer Gesetzesbestimmung 
die Verwaltung selbst auf das Reich übertragen worden ist, besteht auch der 
dafür erforderliche Behörden-Apparat. 
Da die Führung der Regierungsgeschäfte verfassungsmässig dem Kaiser 
obliegt, so sind alle Inhaber von Reichsämtern Gehilfen des Kaisers; sie 
besorgen Geschäfte, welche ideell dem Kaiser obliegen, und alle den Reichs- 
behörden zustehenden Befugnisse sind enthalten und umschlossen von dem 
einheitlichen Rechte des Kaisers, der kaiserlichen Prärogative.. Diesem 
Grundsatz ist es vollkommen entsprechend, dass der Regel nach alle Reichs- 
beamten vom Kaiser ernannt und entlassen werden. Dies ist nicht in dem 
Sinne zu verstehen, als ob es in das willkürliche Belieben des Kaisers gestellt 
wäre, die Geschäfte unter die Reichsbehörden zu verteilen, oder nach Lust 
und Laune Geschäfte untergeordneter Art bald selbst zu erledigen, bald sie 
Reichsbehörden zu überlassen ; die Reichsbehörden sind vielmehr von Rechts 
wegen dem Kaiser beigeordnet, damit er sich ihrer bei der Führung der Reichs- 
geschäfte bediene, so dass er die Geschäfte nicht anders als durch die ver- 
mittelnde Tätigkeit der Behörden führen kann und darf. Auch folgt aus dem 
im Art. 18 der RV. dem Kaiser zuerteilten Recht, die Reichsbeamten 
zu ernennen und erforderlichenfalles zu entlassen, keineswegs eine Befugnis 
des Kaisers, Reichsämter zu errichten oder aufzuheben !). Abgesehen 
von dem aus den Grundprinzipien des Budgetrechts sich ergebenden Rechts- 
satz, dass ohne Genehmigung des Bundesrates und Reichstages neue Reichs- 
ämter nicht mit Fonds ausgestattet werden können, ergibt sich aus der ver- 
fassungsmässigen Kompetenzverteilung zwischen Kaiser und Bundesrat fol- 
gende Unterscheidung: Ist in einem Reichsgesetz die Errichtung einer oder 
mehrerer bestimmter Behörden angeordnet, so dass unmittelbar durch Ver- 
fügung die Bildung derselben erfolgen kann, so gehört es nach Art. 17 derRV. 
zu der Machtvollkommenheit des Kaisers, die Behördgn ins Leben zu 
rufen, da es sich in diesem Falle lediglich um die Ausführung eines Verwal- 
tungsgeschäftes handelt. Wenn dagegen nur mittelbar durch Reichsgesetze die 
Bildung von Behörden angeordnet ist, insoferne die letzteren zur Ausführung 
der Reichsgesetze erforderlich sind, so tritt die Regel in Art. 7 Ziff. 2 der RV. 
ein, dass der Bundesrat „über die zur Ausführung der Reichsgesetze 
1) Vgl. Franz Schmidt, Die Errichtung und Einrichtung der Staatsbehörden 
nach preuss. Recht. Leipz. 1905.
	        
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