Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

162 8 18. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. 
nur auf die Einzelstaaten und stellt einen gemeinrechtlichen Grundsatz 
des öffentlichen Rechts auf, der seine praktische Anwendung inner- 
halb der Einzelstaaten findet; für das Reich selbst ist das 
Gesetz ganz gegenstandslos. 
Das Reich greift hier ausnahmsweise in das Verfassungsrecht der 
Einzelstaaten ein, indem es der Einzelstaatsgewalt eine Schranke setzt, 
die sie hindert, die Glaubensfreiheit anzutasten. Nicht das Verfassungs- 
recht des Reichs wird durch dieses Gesetz berührt, sondern es wird 
ein gemeinrechtlicher Grundsatz des Territorialstaatsrechts reichsgesetz- 
lich sanktioniert. Es darf demgemäß kein Staat ein bestimmtes Glau- 
bensbekenntnis zur Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts 
und der anderen politischen Rechte erklären. Andererseits hat das 
Reich auch durch das Militärgesetz vom 2. Mai 1874 die Ausübung der 
politischen Rechte in den Einzelstaaten betroffen, indem es den Grund- 
satz sanktioniert hat, daß für die zum aktiven Heere gehörenden Mi- 
litärpersonen, mit Ausnahme der Militärbeamten, die Berechtigung 
zum Wählen in betreff der einzelnen Landesvertretungen ruht. 
Im übrigen dagegen ist es jedem Staate unbenommen, die Vorausset- 
zungen der politischen Rechte nach eigener Willkür festzusetzen '). 
8 18. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. 
Bei dem engen, untrennbaren Zusammenhange zwischen Staatsan- 
gehörigkeit und Reichsangehörigkeit war es erforderlich, die rechtlichen 
Voraussetzungen für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit 
reichsgesetzlich zu ordnen. Dies ist geschehen durch das Reichs- 
gesetz vom 1. Juli 1870?) Dieses Gesetz ist durch die familien- 
rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches mittelbar 
und in einigen Punkten durch Art. 41 des Einführungsgesetzes zum 
Bürgerlichen Gesetzbuche unmittelbar abgeändert worden. 
die Religionsfreiheit, sondern nur die Beschränkung derselben durch den Staat einen 
positiven Rechtsinhalt hat. 
1) Eine ausdrückliche Anerkennung hat dieser Rechtssatz indem bayerischen 
Schlußprotokoll vom 23. November 1870, Ziff. II gefunden. 
2) Das Gesetz ist am 1. Januar 1871 in Geltung getreten; in Bayern ist es durch 
das Reichsgesetz vom 22. April 1871 eingeführt worden und am 13. Mai 1871 in Gel- 
tung getreten. RiedelS. 271. In Elsaß-Lothringen ist es durch Verordnung vom 
8. Januar 1873, Art. 2 eingeführt worden; dieselbe ist in der am 14. Januar 1873 aus- 
gegebenen Nummer des Gesetzblattes für Elsaß-Lothringen publiziert worden, also 
am 29. Januar 1873 in Kraft getreten. Dieselbe Verordnung ist dann nochmals im 
Reichsgesetzblatt, in der am 17. März 1873 ausgegebenen Nummer, verkündigt wor- 
den. Auf den Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft getreten war, konnte dies 
keinen Einfluß ausüben. Daß bei diesen Publikationen auch der $ 27 des Gesetzes, 
wonach das Gesetz am 1. Januar 1871 in Kraft tritt, mit aufgenommen wurde, beruht 
auf einem Redaktionsfehler der Einführungsverordnung vom 8. Januar 1873. Ueber- 
einstimmend Leoni S. 17, Note 4. Eine Abänderung des Gesetzes wird vor- 
bereitet.
	        
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