8 19. Der Verlust der Staatsangehörigkeit. 177
verweigern!) oder an erschwerte Bedingungen knüpfen ($ 17, auch für
die Erteilung der Entlassungsurkunde nicht mehr als höchstens einen
Taler an Gebühren erheben ($ 24, Abs. 2)°).
Ferner ermächtigt das Gesetz den Kaiser, für die Zeit eines Krieges
oder einer Kriegsgefahr im Wege der Verordnung besondere Bestim-
mungen zu erlassen ($ 17).
III. Die Staatsangehörigkeit kann verloren gehen für einen Deut-
schen, wenn er sich zehn Jahre lang ununterbrochen’) im
Ausland‘ aufhält?) Dieser Erlöschungsgrund qualifiziert sich
—
1) Z. B. wegen Steuerrückständen Reger Bd. 8, S. 277.
2) Man nennt diese den Einzelstaaten gegebene Rechtsnorm bisweilen die „Aus-
wanderungsfreiheit“ und stempelt sie zu einem sogenannten Grundrecht.
3) Daß der Lauf der zehnjährigen Frist durch einfache Reisen nach Deutsch-
land nicht unterbrochen wird, ist die herrschende Ansicht. Seydel, Bayer. Staatsr. ],
S. 292, Note 69. Auch Bornhak S. 266. Anderer Ansicht Cahn S. 144. Sarto-
rius S. 9fg. Bahrfeldt, Verlust der Staatsangehörigkeit, Breslau 1903, S. 19 fg.
Die auch in der Praxis vielfach befolgte Meinung, daß jeder Aufenthalt im
Reichsgebiet ohne Rücksicht auf seine Dauer die Frist unterbricht, führt zu Konse-
quenzen, welche weder der Billigkeit noch den heutigen Verkehrsverhältnissen ent-
sprechen. Darnach würde es zur Unterbrechung der Frist genügen, wenn der Aus-
gewanderte zum Zweck einer Reise nach der Schweiz ein paar Stunden auf der Ei-
senbahn — vielleicht schlafend — über deutsches Gebiet fährt oder bei einem Spa-
ziergang die Grenze überschreitet und in einem auf deutschem Gebiet gelegenen
Wirtshause einkehrt. Gerade die von den Motiven hervorgehobene Tendenz, das
Erlöschen der Staatsangehörigkeit an ein einfaches, im einzelnen Falle ohne beson-
dere Schwierigkeiten festzustellendes Merkmal zu knüpfen, steht im Widerspruch mit
einer solchen Auslegung, die man nicht nur als hart, sondern als chikanös bezeichnen
muß. Denn die Fortdauer der Reichsangehörigkeit bedeutet die Fortdauer der Wehr-
pflicht und der Strafbarkeit wegen Verletzung derselben und zwar nicht nur für ihn,
sondern auch für seine Söhne. Man darf nicht annehmen, daß die Reichsgesetzge-
bung solche Fallstricke legen wollte. Schwierigkeiten kann aber die tatsächliche
Feststellung machen, ob eine zeitweise Rückkehr den Charakter einer bloßen Reise
oder einer temporären Rückverlegung des Domizils habe. Vgl. die Entsch. des
bayer. Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1885 bei Reger Bd. 6, S. 192, vom
27.November 1891, daselbst Bd. 13, S.74 und vom 15. April 1898, daselbst Bd. 18, S. 475.
4) Die Schutzgebiete gelten als Inland. Reichsgesetz vom 15. März 1888, $ 6,
Abs. 3.
5) Vgl. Bahrfeldt, Verlust der Staatsangehörigkeit etc. Breslau 1903 (Ab-
handlungen von Brie Heft 7), Grabowsky, Der sogen. Verlust der St.A. durch
Fristablauf. Im Verwaltungsarchiv Bd. 12, S. 204 ff. (1904). Cahn S. 136ff. Das
Gesetz knüpft den Verlust an den zehnjährigen Aufenthalt, auch ohne daß ein
neuer Wohnsitz begründet wird, also an ein rein tatsächliches Verhältnis.
Daher kommt die Willens- und Handlungsfähigkeit nicht in Betracht, welche
wohl für die Niederlassung, nicht aber für den Aufenthalt erforderlich ist. Demge-
mäß fehlt es an jedem Grunde, für Minderjährige die Frist erst mit dem Ein-
tritt der Volljährigkeit beginnen zu lassen, wie Landgraff S. 645 annimmt. Man
muß im Gegenteil sogar auch für Geisteskranke an den zehnjährigen ununterbro-
chenen Aufenthalt im Auslande den Verlust der Staatsangehörigkeit knüpfen. Gegen
diese Ansicht hat sich neuerdings im Anschluß an die frühere preußische Praxis das
Reichsamt desInnern erklärt und infolge hiervon haben die Minister des In-
nern in Württemberg und Bayern die Behörden in diesem Sinne instruiert. Die Er-