8 59. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung. 121
Reiches, welches zugleich bedingt das Gesetzgebungsgebiet der Einzel-
staaten ist, und in das der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz
der Einzelstaaten.
a) Der ausschließlichen Kompetenz !) des Reiches unterliegen die
Anordnungen über die Verfassung des Reiches, die Organisation, die
Amtsbefugnisse und Pflichten seiner Behörden, die rechtliche Stellung
seiner Beamten, die Bildung des Reichstages (Wahlrecht) und die Rechte
und Pflichten der Abgeordneten, die Finanzwirtschaft des Reiches, die
Verwaltung der Reichsanstalten, die Schutzgebiete und das Verhältnis
der einzelnen Bundesglieder zum Reich. Alle diese Gegenstände unter-
liegen ihrer Natur nach nicht der Machtsphäre eines einzelnen Staates,
sondern setzen die Verbindung der Einzelstaaten zu einer höheren
Einheit, dem Reiche, voraus; sie können daher auch nur von dieser
höheren Gewalt ihre rechtliche Normierung erhalten. Aus demselben
Grunde hat das Reich ausschließlich die Gesetzgebung über die Kriegs-
marine, da nach Art. 53 der Reichsverfassung dieselbe eine »einheit-
lichex ist; hinsichtlich der Handelsmarine sind in Art. 54, Abs. 2
diejenigen Punkte aufgeführt, welche »das Reich« zu bestimmen hat,
so daß auch in diesen Beziehungen die Gesetzgebung der Einzelstaaten
ausgeschlossen ist. Dasselbe gilt infolge des Art. 56 hinsichtlich des
Konsulatwesens. In Betreff des Kriegswesens ist die Gesetzgebung
der Einzelstaaten ebenfalls ausgeschlossen, da nach Art. 61 der Ver-
fassung im ganzen Reichsgebiet »die gesamte« preußische Militärgesetz-
gebung einzuführen war und nach gleichmäßiger Durchführung der
Kriegsorganisation ein »umfassendes« Reichsmilitärgesetz dem Reichs-
tage und dem Bundesrate vorgelegt werden sollte. Dieses »umfassende«,
also Ergänzungen durch die Landesgesetzgebung ausschließende Reichs-
militärgesetz ist unter dem 2. Mai 1874 (Reichsgesetzbl. S. 45) ergangen.
Außerdem ist durch den Art. 35 der Reichsverfassung dem Reich aus-
schließlich zugewiesen die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen;
ferner über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes
und Tabaks, bereiteten Branntweins und Biers und aus Rüben oder
anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups,
jedoch mit der Ausnahme, daß in Bayern, Württemberg und Baden
die Besteuerung des inländischen [Branntweins und] Bieres der Landes-
gesetzgebung vorbehalten bleibt; endlich über den gegenseitigen Schutz
der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchsabgaben
gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den
Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforder-
lich sind.
Auf diesen Gebieten sind gesetzliche Vorschriften der Einzelstaaten
unstatthaft und rechtlich unwirksam auch hinsichtlich solcher Punkte,
welche das Reich gesetzlich nicht geregelt hat. Denn hier ist die Ge-
1) Vgl. Riedel S. 38, 39; vv. Rönne ll, 1,S. 9; Hänell, S. 259 fg.